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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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mich zu.
    »Pit … ich bin doch immer noch der Alte …«, sagte er leise. »Pit, stell dir einfach vor, dass der alte Tattergreis eine Schönheitsoperation hat machen lassen.«
    Herr im Himmel! Ich führte mich ja schon auf wie Mascha! Was hatte ich ihr über Form und Inhalt gesagt? Darüber, dass die Seele wichtiger ist als der Körper? Sollte das also alles nur leeres Geschwätz gewesen sein? War ich bereit, meinen Großvater als alten Mann oder im Körper eines Aliens zu akzeptieren – aber nicht so, gesund, stark und energiegeladen? War ich eifersüchtig darauf, dass er seine Jugend zurückgewonnen hatte? Nun gut, nicht seine Jugend, sondern sein Mannesalter? Sorgte ich mich um meine Unabhängigkeit? Denn dieser Chrumow würde sich mit neuer Energie an meine Erziehung machen. Sehnte ich mich nach dem alten, ans Haus gebundenen und, wenn ich ehrlich sein wollte, hilflosen Großvater? Was sprach da aus mir? Welche Teufelchen tanzten jetzt in meinem Unterbewusstsein?
    »Großpapa, diesmal hast du mich wirklich überrascht …«, sagte ich. »Aber warum machst du nur halbe Sachen? Fünfundzwanzig … das wäre ein noch besseres Alter …«
    Mein Großvater kicherte.
    »Weißt du, Pit«, sagte er im gewohnten, verschlagenen Ton, »wenn du viele Wahlmöglichkeiten hast, dann bietet dir jedes Alter seine Vorteile. Werde erst mal so alt wie ich, dann verstehst du das.«
    Der Gesprächspartner meines Großvater gesellte sich zu uns und blieb zwischen uns stehen. Er sah mich fragend an. »Pjotr Chrumow?«
    »Ja.«
    Er schüttelte den Kopf, als könne er meine Worte nicht glauben.
    »Wie du siehst, Krej, schuldest du mir eine Kiste Wein«, frohlockte mein Großvater.
    Der grauhaarige Mann nickte und studierte mit ungezügelter Neugier mein Gesicht. »Ihr seid noch nicht einmal Blutsverwandte …«, bemerkte er. »Verzeihung, ich bin Krej Saklad, Mitarbeiter der Handelsliga.«
    Wir begrüßten uns per Handschlag.
    »Ich lasse euch jetzt allein. Das ist nur richtig«, entschied Krej.
    »Krej Salat«, alberte mein Großvater, als sich der Mitarbeiter der Liga entfernte. »Diese naiven Optimisten! Sie leben Jahrhunderte, sind aber immer noch grün hinter den Ohren. Er hat nicht geglaubt, dass du mich finden würdest. Sogar gewettet hat er mit mir. Kannst du dir das vorstellen?«
    Ich nickte. Wir standen immer noch da, mieden verlegen den Blick des anderen und konnten uns nicht aufraffen, zur Sache zu kommen.
    »Na los, ich gieß dir erst mal einen Wein ein …« Mein Großvater wurde mit einem Mal ganz hektisch. »Sie verstehen hier etwas von den Freuden des Lebens … diese im Grunde so liebenswerten Menschen …«
    Er wandte sich dem Tisch zu, irgendwie verkrampft und ungeschickt, für jede Bewegung zu weit ausholend, ihr zu viel Kraft verleihend – mein Großvater vermochte den neuen Körper noch nicht mit den Verhaltensweisen in Einklang zu bringen, die er sich in seinem Alter zugelegt hatte …
    »Großpapa!«, rief ich und warf mich ihm in die Arme. »Großpapa!«
    Er drückte mich fest an sich, vergaß, wie viel Kraft jetzt in seinem Körper steckte, in den die Tore reichlich Energie und lugend gepumpt hatten …
    »Großpapa, ich bin so froh, dass du so … so geworden bist«, flüsterte ich. »Teufel auch, dafür könnte ich diesen Schatten sogar lieben … Wenn du zurück bist und an der Uni Vorlesungen hältst, wirst du dich vor Studentinnen nicht retten können …«
    »Psst! So was darfst du nicht in Maschas Gegenwart sagen, sonst kann ich mir sowohl die Vorlesungen wie auch die Studentinnen abschminken …«
    Wir sahen uns an.
    Wollte ich mich etwa darüber wundern?
    »Über meine Lippen kommt kein Wort mehr«, versprach ich.
    »Verzeiht, dass ich euer zutiefst persönliches Gespräch unterbreche …«
    Ich drehte mich um, gab meinen Großvater aber noch nicht frei. Der Reptiloid saß zu unseren Füßen, mit der beleidigten Miene eines geliebten Hundes, den man plötzlich nicht mehr beachtet.
    »Hallo, Karel«, begrüßte ich ihn.
    »Ich freue mich, dich zu sehen. Sag mir, Pjotr, belastet es unsere Beziehung, dass ich nicht mehr als temporäre Heimstatt für Andrej Valentinowitsch fungiere?«
    Ich ging in die Hocke und berührte die weichen grauen Schuppen. Die Hand streckte ich lieber nicht aus – das hätte zu sehr nach »Sei ein braver Hund und gib Pfötchen!« ausgesehen.
    »Ich freue mich auch sehr, Zähler«, erwiderte ich. »Und nimm mir den Zähler nicht krumm. Das ist ein Kompliment. Du hast dir die

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