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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Die kleine Feuerkugel loderte wie ein vom Himmelsrand gefallener Stern. Was für ein kaltes, blendendes Feuer!
    »Gib her!«, sagte ich und streckte die Hand aus. Natürlich war es dumm, auf einen Kompromiss zu hoffen. Trotzdem musste ich das sagen. »Gib her! Wir brauchen es dringender.«
    Der schmale, zahnlose Mund öffnete sich. Wir sprachen jetzt dieselbe Sprache, dieses Geschenk verweigerte der Schatten niemandem.
    »Nein.«
    Ich nahm den Geruch wahr. Einen flüchtigen, säuerlichen Geruch. Mir war völlig unklar, wie diese beinahe chitinartige Haut überhaupt Schweiß absondern konnte. Aber es war der Geruch der Angst.
    »Wir werden ihn uns so oder so holen«, verkündete ich. »Ihr bekommt einen neuen. Gib her!«
    Die Aliens trugen keine Kleidung. Nur geschuppte Riemen, die aussahen, als seien sie aus Schlangenhaut gefertigt, umhüllten ihre Körper. Daran hingen unzählige Taschen, Behältnisse und Hüllen.
    Die schmalen lilafarbenen Hände glitten über die Riemen …
    »Runter!«, schrie Mascha.
    Statt mich zu ducken, sprang ich vor, packte den Fremden mit dem Samen und zog ihn von den anderen weg. Die schmalen Hände erwiesen sich als überraschend kräftig. Da wir direkt an der Feuerlinie miteinander kämpften, traute sich niemand, einen Schuss abzugeben.
    »Das ist unser!«, brüllte der Fremde. »Unser. Ist. Das. Das. Ist. Unser …«
    Es war leichter, ihn zu Boden zu werfen, als ihm den Samen zu entwenden. Sobald wir beide hinfielen, brach über unseren Köpfen der Feuersturm los. Flammenblitze zuckten, Maschas MPi ratterte gleichmäßig. Wir rollten über den Felsen, immer näher an den Abhang heran. Unsere Gefährten klärten derweil die uralte Frage: Wer hat recht – und wer hat mehr Rechte?
    Unser Kampf dauerte nicht lang. Wir stellten ihn fast gleichzeitig ein, beide von dem Wunsch beseelt, uns über den Stand der Dinge zu informieren.
    Drei Blauhäutige lagen auf dem Felsen. Wahrscheinlich hatte Mascha sie erwischt, denn es waren keine Wunden zu sehen.
    Kelos und der letzte Alien gingen noch immer aufeinander los. Vor Kelos flackerte die weiße funkelnde Wand eines Kraftschilds. Vor dem Alien ragte das gleiche Ding auf, allerdings in Gelb. Anscheinend hatten die beiden Kontrahenten den Schild des anderen nicht einschlagen können und umrundeten einander jetzt nur noch. Wer wohl wen zuerst abdrängte? Vom Pfad in den Abgrund …
    Ich zweifelte nicht am Ausgang des Kampfes.
    Schritt für Schritt bewegte sich der Alien auf den Abgrund zu. In Kelos’ Miene zeigten sich keine Gefühle mehr, sie war zu einer erbarmungslosen Metallmaske geworden. Ein Schritt. Noch einer.
    Der Fremde schwankte am Rand des Abgrunds. Er begriff genauso gut wie ich, dass er dem Tod geweiht war. Und genau wie ein Mensch wollte er sich auf gar keinen Fall ergeben.
    Der gelbe Schild schrumpfte zu einem Punkt zusammen und zog sich zurück. Ein wuchtiger Schlag von Kelos fegte den Alien vom Pfad.
    Doch den Bruchteil einer Sekunde vor diesem Angriff durchbohrte der flammende gelbe Punkt den weißen Schild und grub sich in Kelos hinein.
    Ich schrie auf, als ich sah, wie unser einziger Verbündeter Feuer fing. Die Flamme züngelte hoch, verbrannte ihn von innen, der blauhäutige Alien war bereits in die Tiefe verschwunden, lautlos auf dem Felsen aufgeschlagen, aber das Feuer wollte immer noch nicht erlöschen.
    »Kelos!« Mascha schleuderte die MPi weg und stürzte zu ihm. Kelos wich zurück, als fürchte er, sie zu versengen. Er fiel auf die Knie.
    Hat dich das Feuer also doch erwischt, den Cyborg, der ein Mensch zu sein versuchte, den Menschen, der als Soldat geboren wurde … Das Schicksal holt jeden ein, sosehr man sich auch vor ihm versteckt. Und es begleicht alle angehäuften Schulden …
    Ich betrachtete den am Boden liegenden Alien. In den Facettenaugen, in denen sich kein Gefühl widerspiegelte und auch nicht widerspiegeln konnte, stand Verzweiflung. Ich schmetterte seinen Kopf auf die Steine, einmal, zweimal, bis seine Augen trüb wurden.
    Erst dann gestattete ich mir, zu Kelos zu eilen.
    Die Flamme war erloschen. Kelos lag reglos da, nur seine rechte Hand zitterte in Krämpfen. Sein Körper schien im Innern explodiert und von zahllosen Wunden zerfetzt zu sein. Aus einigen floss Blut. Bei einigen schimmerte aufgerissenes Metall durch.
    »Kelos …«, flüsterte ich. »Kelos, mein Freund …«
    Noch lebte er. Und er sah mich an. Nicht um mich anzuklagen, nicht um Mitleid zu erheischen – sondern um sich zu

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