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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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verabschieden.
    »Wohin man auch geht …«, hauchte Kelos.
    »Hör zu!«
    »Ja …«
    Ich griff nach seiner Hand – die unsagbar schwer war. Wie viel er wohl wog? Wie viel war an ihm Fleisch, wie viel Eisen?
    »Du bist ein Mensch …«
    »Ich … war …«
    »Du bist ein Mensch, Kelos.«
    »Ich spüre nicht mal Schmerzen, – Pjotr. Ich habe … sie ausgeschaltet. Was bin ich schon für ein Mensch …«
    »Kelos! Hör mir zu, du Idiot!«
    Das Leben kroch mit jedem Tropfen Blut aus ihm heraus. Mit jedem Stück Eisen, das seinen Geist aufgab. Was hatte er sich da nur in den Kopf gesetzt, dieser Schwachkopf? Wer von uns ist denn ein Mensch? Derjenige, der von Geburt an im selben Körper steckt? Oder derjenige, der versucht, ein Mensch zu sein?
    »Kelos, sie warten auf dich. Hast du das vergessen? Wenn du nicht nach Hause zurückkehrst … wird deine Frau dir folgen.«
    »Sie ist dazu bereit …«
    »Entscheide nicht für andere! Entscheide niemals für andere!«
    »Mich hält nichts mehr, Pjotr.«
    Seine Worte klangen immer leiser und leiser. Er ging fort, und ich wusste nicht, was ich sagen sollte, wie ich ihm das vermitteln sollte, woran ich glaubte, was seine Rettung bedeutete, den einzigen und unveränderlichen, den ewigen Anker in all unseren Welten …
    »Sie warten auf dich, Kelos. Deine Frau wartet auf dich. Wenn du durchhältst, hält sie auch durch.«
    »Aber wozu?«
    »Wage es ja nicht!«, schrie ich. »Hör mir zu! Ich weiß nicht, was dir teuer ist und was nicht, aber merk dir eins: Die Tore sind ein Faden – und solange jemand diesen Faden festhält, solange jemand auf dich wartet …«
    Er lächelte, und in dem zerfetzten Gesicht nahm sich das Lächeln absurd aus.
    »Sie warten auf dich, Kelos. Glaub mir!«
    »Entscheide nicht für andere … niemals …«
    Ich stand auf.
    Sah Mascha an.
    »Ich konnte nichts mehr machen«, flüsterte sie. »Pjotr, ich habe geschossen … aber dieser Mistkerl hatte einen Kraftschild.«
    Mistkerl?
    Das nun wirklich nicht. Sie haben ihre Welt verteidigt. Jenes Stückchen Glück, das sie für sie erobert hatten. Wir sind stärker gewesen als sie. Wir haben gewonnen. Der Himmel ist daraufhin nicht zerrissen, die Erde hat sich nicht unter uns aufgetan. Der geschenkte Samen ist kein Zauberamulett, das man nicht stehlen kann. Man kann es, ohne Weiteres.
    Jeder betritt den Schatten auf seine eigene Weise.
    Ich näherte mich dem reglosen blauhäutigen Wesen. Ich bog die geballte Faust auf und schälte aus den gekrümmten Fingern den Klumpen kalten Feuers.
    Der Körper des Aliens erzitterte. In die riesigen Augen kehrte der Verstand zurück.
    »Er lebt noch!«, schrie Mascha. »Erschlag ihn, Pjotr!«
    Der Blauhäutige rührte sich nicht. Er lag nur da und wimmerte leise. Wahrscheinlich klang so ihr Weinen. Nur die dünnen Finger knisterten, die sich immer fester um den Samen pressten.
    »Als ob euch irgendeine Gefahr droht!«, schrie ich. »Wofür braucht ihr den überhaupt?«
    Das Wesen stöhnte und schmiegte sich dicht gegen den Felsen. Das Licht des Samens, von seiner Hand verborgen, war kaum noch zu sehen. *
    »Erschlag ihn!«, verlangte Mascha noch einmal.
    »Könntest du das?«, zischte ich. Darauf schwieg sie.
    »Brauchen …«, flüsterte das Wesen mit einem Mal. »Brauchen ihn … Dringend. Brauchen. Dringend …«
    Es ging nicht auf die Übersetzung zurück, dass das Wesen in abgerissenen Sätzen sprach, denn wir verstanden uns jetzt problemlos. Es lag am Aufbau seiner Gedanken … an der Natur dieser Wesen … sie trennte einfach zu viel von uns …
    »Schlecht … Sehr. Sehr. Schlecht. Schlecht. Tod. Kommt. Tod. Kommt.«
    Entweder konnte ich ihre Gefühle nicht verstehen oder sie ließen sich mit diesem scheibenartigen Mund nicht ausdrücken, so dass dem Alien nur Worte blieben, sinnlose und klägliche Worte, mit denen er mich nie überzeugen würde, genau wie ich Kelos nicht hatte überzeugen können, der für immer fortgegangen war, dieser Cyborg, der aufgehört hatte, Mensch zu spielen – wie auch jetzt die Welt der Blauhäutigen aufhören würde zu existieren. Ja, ich glaubte ihm, dass es schlimm um seine Welt stand, vielleicht sogar noch schlimmer als um unsere, aber in dieser Situation konnte ich mich nicht um ihre Probleme kümmern – denn ich musste die Erde retten.
    Und wer immer nach mir kam, sollte mich segnen oder verfluchen, um Vergebung für mich bitten oder herzlich über die untergegangene Rasse lachen … Wovon es wohl abhängen würde, ob man mir

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