Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
vergab oder mich auslachte? Wenn man nur dorthin blicken könnte, in jene Welt, die sonnig und klar sein wird! Wenn man nur den Ausdruck ihrer Gesichter sehen könnte!
    Was sollte ich jetzt tun?
    »Gib ihn mir«, sagte ich. »Gib ihn mir. Wir brauchen ihn. Brauchen. Ihn.«
    Die Faust öffnete sich. Ich nahm die winzige Kugel an mich. Nein, sie war nicht kalt, sondern warm … lauwarm.
    Aber immerhin nicht kalt.
    Dieser Klumpen weichen Feuers. Dieser Same für die Tore.
    Hinter mir seufzte Mascha. Sie streckte die Hand aus – und zog sie wieder zurück. »Sollen sie doch alle verflucht sein …«, flüsterte sie. »Komm, Pjotr, lass uns gehen …«
    Ich rührte mich nicht. Mascha ging zu Kelos, beugte sich über ihn und hievte den Körper hoch. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete ich, wie sie ihn zum Flyer schleifte.
    Wie hast du es ausgedrückt, Kelos? Jeder betritt den Schatten auf seine eigene Weise? Mancher durch inständiges Bitten, mancher durch Arbeit und mancher durch Diebstahl. Und ich brauchte mir deswegen keine Sorgen zu machen.
    Ich hatte dorthin geblickt, wohin man nicht zu blicken vermag, in die allerfernste Ferne. Unsere Nachfahren würden lächeln.
    »Soll doch alles verflucht sein«, stimmte ich Mascha zu.
    Ich hielt dem Blauhäutigen den Samen hin.
    Die Facettenaugen funkelten, gerieten in Bewegung, spiegelten das Licht des Samens wider.
    »Gibst du ihn mir? Zurück?«
    »Ja. Zurück«, sagte ich.
    Und ich ließ den Samen auf die offene Hand fallen, worauf die Finger sich gierig um ihn schlössen, blitzschnell das verbergend, was wir beide brauchten.
    Nur dass das Licht daraufhin nicht verschwand. Auf meinem Handteller leuchtete eine zweite Feuererbse, die förmlich an meiner Haut festklebte.
    Der Blauhäutige öffnete hektisch die Hand, als wolle er sich überzeugen, nicht Opfer eines Taschenspielertricks geworden zu sein.
    »Einer? Und noch einer? Zwei? Samen?«
    »Zwei«, bestätigte ich.
    Kurz beschlich mich die Angst erneut. Ich hatte keinen winselnden, verletzten und angeschlagenen Feind vor mir, sondern einen Gegner. Jetzt spürte auch ich die Wärme in meiner Hand. Schon nicht mehr die fremde, sondern die eigene.
    Und ich wusste, dass ich diese Wärme nicht hergeben wollte. Sie niemandem überlassen wollte.
    Ohne aufzustehen, rückte ich im Entengang von dem Blauhäutigen ab. Der stemmte sich ein wenig hoch und angelte mit der freien Hand etwas aus einem seiner Gürtel. Teufel auch!
    Aber er schoss nicht.
    Ich kroch zum Flyer. Ich richtete mich ein wenig auf, mich dabei am Rand der Kabine festhaltend. Wir erstarrten beide, wie zwei verschreckte Tiere, die sich jeweils ein Stück der Beute geschnappt hatten, aber wahnsinnige Angst davor hatten, der Gegner könnte alles für sich beanspruchen. Von wegen – intelligente Vertreter großer Zivilisationen! Zwei Schakale, die sich um die Reste einer Antilope schlugen, solange der Löwe schlief …
    Falls die hiesigen Götter nicht schliefen, hatten sie bei unserem Anblick inzwischen dermaßen viel gelacht, dass sie dessen müde waren.
    Mit einem Satz sprang ich in die Kabine und tauchte in die rettende Weichheit des Dunkels ein. Durch die transparente Schiffshülle beobachtete ich, wie der Blauhäutige im Schutz der Felsen den Pfad hinaufsprang.
    »Hast du ihm den Samen etwa zurückgegeben?«, schrie Mascha. Als ich meine Faust öffnete, verstummte sie. Nach einer Weile fügte sie etwas kleinlaut hinzu: »Aber ich habe doch gesehen, dass …«
    »Wir haben einen eigenen bekommen, Mascha. Einen für uns.«
    Sie sah Kelos an, den toten Körper, der zwischen uns lag.
    »Dann ist er also vergebens …?«
    »Es geschieht nie etwas vergebens.«
    Natürlich hätten wir den Samen in jedem Fall erhalten, selbst wenn Kelos nicht bei uns gewesen wäre. Davon war ich fest überzeugt.
    Nur hätten wir ihn dann auf eine andere Weise erhalten. Nämlich genau so, wie wir es geplant hatten, indem wir ihn anderen, die den Schatten genauso dringend brauchten wie wir, stahlen.
    »Verdammt!« Mascha brach unvermittelt in Gelächter aus und lehnte sich gegen eine unsichtbare Stütze. »Das vergesse ich immer wieder … hier stirbt ja niemand für immer …«
    Den Blick fest auf den toten Körper gerichtet, konnte sie nicht aufhören zu lachen. »Ich hoffe, er ist schon zu Hause und wäscht sich nach den Taten in der Schlacht …«
    Ich ließ sie reden, schließlich musste Mascha ihre Anspannung abbauen. Sollte sie es ruhig auf diese Weise tun. Den Toten würde es

Weitere Kostenlose Bücher