Sternenschatten
Jahrhunderte hin. Außerdem versuchte Krej eine Alternative zum Schatten zu finden, statt sich in dieser allzu idyllischen Welt zu verkriechen.
Und dennoch musste ich bei seinen Worten lächeln. Unverwandt sah ich ihm in die Augen. Er war es dann, der den Blick senkte, als er mein Lächeln bemerkte. Ganz langsam schloss ich die Finger um den Samen. Erst dann fragte ich: »Ist das denn nicht genug, Krej?«
Fünf
Alles wiederholt sich. Wir gingen durch den Tunnel der Liga, an dem Faden entlang, der zwischen der Raumstation und der Ur-Erde gespannt war. Wir waren zu fünft. Ich ging vornweg, mit dem Samen in der Hand, mir folgten, gleich einer Eskorte, mein Großvater, Danilow und Mascha; Karel bildete den Abschluss unserer Prozession.
Sah man von Kleinigkeiten wie der äußeren Erscheinung ab, entsprachen wir hundertprozentig dem Zug der blauhäutigen Aliens.
Ab und an kamen uns Menschen entgegen, manchmal auch Wesen, die mit den Menschen nur den Verstand gemein hatten. Ab und an lächelte uns jemand einen Gruß zu, die meisten gingen jedoch an uns vorbei, ohne auf uns zu achten.
Eine neue Welt würde in den Schatten eintreten – das war eine Lappalie. Diesem Schicksal entging ohnehin niemand.
»Fliegen wir mit dem Schiff der Liga zur Erde?«, fragte Mascha.
»Nein«, antwortete ich kopfschüttelnd. »Auf uns wartet das Schiff auf dem Irrstern.«
Mein Großvater brummte etwas, als missfalle ihm meine Entscheidung ganz gewaltig. »Wozu denn das, Pjotr?«, fragte er widerwillig. »Soweit ich es verstehe, würden wir damit auch nicht schneller ans Ziel gelangen.«
»Man soll die Pferde nicht mitten im Rennen wechseln«, versuchte ich zu scherzen.
»Irgendwie kommt es mir komisch vor, dass du einen Samen für die Tore bekommen hast«, meinte mein Großvater, der mich nun eingeholt hatte und mir die Hand auf die Schulter legte. »Wo du ihn doch gar nicht wolltest.«
»Ich habe mir halt Mühe gegeben.«
»Ich kenne dich, Pjotr! Du kannst nicht gegen deine Überzeugung handeln. Du kannst dich nicht zwingen, an die Notwendigkeit des Schattens zu glauben!«
»Vielleicht ja doch?«
»Das irritiert mich ja gerade so …« Mein Großvater seufzte. »Ich hätte nie im Leben vermutet, dass ich in einem jungen Hirn weniger Gedanken haben würde. Pjotr, ich spüre … dass etwas nicht stimmt. Aber ich kann meinen Eindruck nicht in Worte fassen.«
Wir blieben stehen.
»Aber Pjotr hat es so sehr gewollt, Andrej Valentinowitsch«, mischte sich Mascha vermittelnd ein. »Er hat gewollt, dass Sie stolz auf ihn sind …«
Oho. Wann würde sie wohl endlich lernen, ihn nicht mehr zu siezen? Wenn sie meinen Onkel auf die Welt brachte?
»Maschenka«, mein Großvater bedachte sie mit einem Blick wie früher, eine Mischung aus Mitleid und Zärtlichkeit. »Glaub ja nicht, ich sei eifersüchtig auf meinen Enkel, auf meinen Schüler, wegen seines Siegs. Nein, wirklich nicht, das musst du mir glauben.«
Inzwischen hatten wir das Ende des Tunnels fast erreicht, waren am breitesten Teil angelangt, wo sich über uns und an den Wänden die Hütten, Häuser und Zelte zusammendrängten. Ein kleiner Junge, der mit dem Kopf nach unten an der »Decke« saß, sah uns neugierig nach. Er hob einen Stock auf, wollte schon damit nach uns werfen, fing dann aber meinen Blick auf und stürzte ins Haus.
Ob das ein richtiger Junge war? Oder ein Phantom? Mit der Vermehrung stand es bei ihnen ja nicht so gut … bei ihren unsterblichen Kindern.
»Gib mir den Samen mal, Petja«, sagte mein Großvater.
Ich fuhr zusammen.
»Pit …«
»Das ist … meiner …«
Die Worte kamen mir von selbst über die Lippen. Mein Großvater wechselte einen Blick mit Mascha. Danilow nickte, als hätte er dergleichen erwartet.
»Du willst diesen Samen nicht … vorübergehend … deinem Großvater überlassen? Deinem Ausbilder? Pit?«
Meine Hand zitterte, als ob in meinem Innern gerade etwas explodierte, kollidierte, als ob zwei unabänderliche Normen aufeinandertrafen, von denen die eine unweigerlich kapitulieren musste.
»Vor-vor-vor …«
Ich fing an zu stottern, als ich meinem Großvater die offene Hand entgegenstreckte. Die kräftigen Finger nahmen den Samen an sich, drehten ihn …
»Komisch, ich spüre gar nichts, Petja«, teilte mir mein Großvater gutmütig mit. »Absolut nichts. Natürlich, ich bin neugierig, in gewisser Weise sogar begeistert … ach, verflixt und zugenäht, mit dem Ding haben sie sich wirklich was einfallen lassen … Aber mehr
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