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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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geblieben.
    »Vorhin habe ich zunächst gedacht, du willst die Waffenkammer plündern«, wechselte ich ungeschickt das Thema. »Wegen deiner erhöhten Aggressivität.«
    »Wozu das? Wir haben eine Waffe, die auf einem Kraftfeld basiert, eine Mikrowellenwaffe und nicht zu vergessen den Ggorschsch. Warum hätten wir es übertreiben sollen? … Sag mal, Pjotr, darf ich dir eine persönliche Frage stellen?«
    Obwohl ich mit dem Schlimmsten rechnete, nickte ich.
    »Nimmt dich der Tod deines Großvaters sehr mit?«
    »Was?!«
    Mascha seufzte und setzte sich mir gegenüber hin. »Er ist doch tot, Pjotr. Man kann ja wohl nicht allen Ernstes glauben, ein Mensch sei lediglich eine Ansammlung von elektrischen Signalen in den Synapsen.«
    »Was denn sonst? Die Seele?« Da meine Kehle völlig ausgetrocknet war, fing ich an zu stammeln.
    »Nicht unbedingt. Ich bin nicht gläubig. Aber der Körper macht mindestens die Hälfte eines Menschen aus.«
    Ich sah ihr in die Augen. Nein, sie erlaubte sich keinen Spaß. Und mit so etwas machte man auch keinen Spaß.
    »Mascha, für dich und für mich mag das vielleicht zutreffen. Wir sind schließlich noch jung. Bei uns brodeln die Hormone noch.« Zu meiner eigenen Überraschung wechselte ich plötzlich in einen eher zynischen Ton: »Für dich mag ich sexuell anziehend sein …«
    »Durchaus«, antwortete Mascha gelassen, »aber nicht so stark wie Sascha Danilow.«
    »Mein Großvater hat jedoch bereits das Alter überschritten, wo er …« Ich schluckte eine offene Beleidigung hinunter. »Er ernährt sich hauptsächlich von Joghurt und Babybrei. Heimlich eine Pfeife zu rauchen, ist für ihn ein Ereignis, einen Wodka zu trinken, die reinste Orgie.«
    »Und was ist, wenn er durch den Garten wandert, Blumen pflückt und den Hund streichelt?«
    »Wenn ich auf der Erde bin, muss ich ihn ständig zu einem Spaziergang nach draußen jagen!«
    »Trotzdem, Petja.«
    »Mascha … liebst du ihn etwa?«
    »Ich habe Andrej Valentinowitsch geliebt und werde ihn immer lieben!«, herrschte mich Mascha an. »Ihn – und nicht diese Eidechse mit seinem Gedächtnis.«
    In mir explodierte etwas. Kurz zitterte der Kaffeebecher in meiner Hand, bereit, einen Flug zu einem klar definierten Ziel anzutreten.
    Daran hinderte mich nur, dass der Kaffee noch zu heiß war.
    Ich stand auf und verließ die Kajüte. Ich musste Danilow beim Check des Shuttles helfen. Schließlich war ich der zweite Pilot.
    Der zweite Pilot – und keine Frau voller Komplexe, für die ein Mensch und sein Äußeres untrennbar miteinander verschmolzen waren.
     
    Was auch immer die Motive der Alari sein mochten – ob sie uns in unserer Rückständigkeit nicht über den Weg trauten oder echte Freundschaft für uns empfanden – jedenfalls hatten sie das Steuerungssystem der Fähre in der Tat nicht verändert. Der Navigationscomputer hegte nach wie vor die feste Überzeugung, das Schiff sei mit ganz normalen Flüssigkeitsraketentriebwerken ausgestattet. Weder der praktisch unerschöpfliche Brennstoffvorrat noch die enorme Schubkraft konnten ihn davon abbringen.
    Mit Mascha hatte ich kein Wort mehr gewechselt. Sie sah mich immer wieder an und bedauerte zweifellos ihre Offenheit, ich zog es jedoch vor, ihre Blicke zu ignorieren. Meinem Großvater sagte ich natürlich auch nichts davon.
    Die Waffen und die Nahrung, die uns die Alari zur Verfügung gestellt hatten, wollten wir zunächst im Frachtraum unterbringen. Über unserer überstürzten Flucht und dem Flug hatten wir allerdings die dort verstauten, auf Jel sehnsüchtig erwarteten Büsten völlig vergessen. Nun starrten uns die blicklosen Köpfe der Parteiführer aus dem letzten Jahrhundert, der Helden der Krim-Krise und der Präsidenten unserer Verbündeten tadelnd an.
    Der Proviant musste in der Kabine untergebracht werden.
    Ich blieb bis zur letzten Minute im Shuttle. Als einschließlich meines Großvaters samt Zähler alle eingestiegen waren, drückte ich Danilow die Hand und sprang hinaus. Von unten sah ich Danilow, der sich ewig mühte, die Luke zu schließen, noch zu. In der Halle hatten sich zahllose Alari versammelt, darunter auch der Kommandant. Bevor ich ins Schiff der Geometer kletterte, ging ich noch einmal zu ihm.
    »Ich hoffe, mein Offizier enttäuscht mich nicht«, sagte der Alari leise.
    Was soll ich jetzt am besten antworten, Cualcua?
    Mein Symbiont schwieg eine Sekunde, ich glaubte sogar schon, er wollte die Frage ignorieren.
    Glaube und Liebe werden mir helfen.
    »Glaube und

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