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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Schiff. Vielleicht wusste ich aber auch einfach nicht, wo ich ihn hätte suchen sollen. Ich verband mir den Hals mit meinem Taschentuch und hoffte darauf, dass die Blutung nur oberflächlich war. Der Cualcua hatte jedenfalls, getreu seinem Prinzip, sich nicht um Kleinigkeiten zu kümmern, darauf verzichtet, die Wunde zu schließen.
    »Was hast du jetzt vor?«
    Im Cockpit war es eng. Zu eng für drei Erwachsene und einen Reptiloiden. Die Station Gamma schwebte rund zehn Kilometer von uns entfernt im Raum, rührte sich nicht von der Stelle und hatte auf Kampfbereitschaft umgeschaltet. Aber noch hatte sie das Feuer nicht eröffnet.
    »Auf deinem Planeten giltst du jetzt als Verbrecher. Warum hast du das getan?«
    »Glaubst du, ich habe falsch gehandelt?«, fragte ich den Reptiloiden.
    »Meine Meinung ist nicht von Belang. Was hast du jetzt vor?«
    »Mit meinem Großvater zu reden.«
    »Gut«, willigte der Zähler ein. Es folgte eine sekundenkurze Pause, während er meinem Großvater Platz machte. »Du Dummkopf!«
    »Danke schön, Großpapa.«
    »Keine Ursache! Dummkopf! Verschwinde von hier, damit die uns nicht mehr im Visier haben!«
    »Glaubst du, sie wollen uns vernichten?«
    »Das ist nur eine Frage der Zeit! Gib den Befehl!«
    Mein Großvater war nicht einfach wütend – er war fuchsteufelswild. »Eine Dummheit zu begehen, ist kein Verbrechen. Aber sie nicht zu Ende zu bringen – das schon!«
    »Wir müssen uns was für sie einfallen lassen …«
    Ich wies auf die reglosen Körper von Danilow und Mascha.
    »Und was bitte schön?«, fragte der Reptiloid. »Was sollen wir denn jetzt noch machen? Entweder wir bleiben alle zusammen oder du wirfst sie in den luftleeren Raum hinaus! Eine andere Möglichkeit gibt es nicht!«
    Ich schloss die Augen und wandte mich an den Verstand des Schiffs. Es blieb keine Zeit, ein Gespräch zu führen. Ich übermittelte ihm einfach meinen Wunsch.
    Zum Kern.
    Natürlich rechnete ich mit Problemen. Die Geometer waren von dort geflohen, insofern musste ich davon ausgehen, dass sämtliche Flüge zum Zentrum der Galaxis verboten waren. Ich machte mich auf einen langen Streit gefasst, auf wortakrobatische Übungen, bei denen ich versicherte, ein solcher Flug sei für Die Heimat unbedingt nötig. Womöglich musste sogar Karel intervenieren und den Computer in die Knie zwingen.
    Denn bestimmt würde das Schiff nicht ohne Weiteres einfach zustimmen!
    Wird ausgeführt.
    Die Monitore verblassten, schimmerten nur noch mit einem fahlgelben Licht. Die Erde verschwand, die Sterne verschwanden, der Kosmos verschwand. Einen kurzen Moment würgte es mich.
    Das war aber auch alles.
    »Was passiert hier?«, fragte mein Großvater. Die Nervosität, die der Sprechapparat des Reptiloiden nicht wiederzugeben vermochte, ließ sich anhand der Schärfe der Frage erahnen.
    »Ich glaube, wir sind bereits unterwegs«, antwortete ich verwirrt.
    »Und wo bleiben dann die Glücksgefühle? Ist doch schade, wenn …« Anscheinend erlaubte sich mein Großvater einen Scherz. Wahrscheinlich um seine Anspannung zu kaschieren. »Bist du dir sicher, Pjotr? Wohin wir fliegen, meine ich – zum Kern oder zu den Geometern.«
    Flugdauer: zwölf Stunden und dreiundsechzig Minuten.
    Ich ließ mir die Zeit durch den Kopf gehen.
    »Anscheinend zum Kern, Großpapa.«
    Der Reptiloid hustete und kam auf mich zugetrippelt. »Das ist zu einfach …«, sagt er. »Irgendwie ist das viel zu einfach. Ich mag es nicht, wenn sich alles so glatt anlässt.«
    Ich hätte natürlich einwenden können, die Gefangenschaft, unsere Flucht und die Verwüstung der einzigen russischen militärischen Raumstation sei alles andere als ein glatter Auftakt. Nach dieser Art Zank stand mir jedoch weiß Gott nicht der Sinn.
    Überhaupt stand mir nach keiner Art von Zank der Sinn.
    »Großpapa, wir müssen uns etwas einfallen lassen … für sie.«
    Der Reptiloid richtete den Blick langsam auf die bewusstlosen Körper der beiden Geheimdienstleute.
    »Das musst du entscheiden, Petja. Zusammen mit Karel.«
    Eine Sekunde – und der Blick des Zählers hatte sich geändert.
    »Können sie uns hören, Karel?«, erkundigte ich mich.
    »Ja. Ich habe nur ihre motorischen Funktionen blockiert.«
    »Befrei sie.«
    Der Zähler legte eine Pause ein, in der er natürlich nicht nachdachte, sondern nur vorgab nachzudenken. »Du weißt, was du tust, Pjotr?«
    »Ja.«
    Die geschuppte Pfote glitt achtlos über Danilows Hand und klatschte gegen Maschas Wange. Sofort bewegten sich

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