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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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… in dein Sanatorium Frischer Wind gebracht. Sondern wir werden wahrscheinlich auf eine originellere Weise verrecken.«
    Ich berührte das Terminal. Das Schiff hielt sich an die Spielregeln und trat mit mir nicht ohne diese Geste in Kontakt, die einzige Ausnahme zählte da nicht.
    Wann kommen wir in den normalen Raum, Bordpartner?
    Wir befinden uns bereits seit dreieinhalb Minuten im normalen Raum.
    Ist der Planet des Schattens sehr weit entfernt?
    Wir treten in die Umlaufbahn ein.
    Man konnte sagen, was man wollte: Das Ausbleiben der Beschleunigung hatte auch seine Nachteile.
    Ist das gefährlich?
    Nein.
    Wird man uns angreifen?
    Die Planeten des Schattens werden nicht bewacht.
    Wieso das denn nicht?! Wo die Geometer den Schatten doch derart fürchteten! Ich hatte mir Gott weiß was vorgestellt, nur keine friedliche Zivilisation.
    »Wir sind bereits da, Freunde«, sagte ich leise.
    »Im Kern?« Danilow schüttelte den Kopf, als weise er die Antwort bereits im Voraus zurück.
    »Ja.«
    Irgendwie verstand ich ihn. Auf eine Weise, wie nur ein Pilot einen anderen Piloten verstehen kann.
    Unsere Arbeit hatte immer nach einer ordentlichen Portion Talent verlangt. Von den fragilen Doppeldeckern, von den ersten Düsenjägern bis hin zur Sojus und zur Buran blieb dem Piloten all das vorbehalten, was die Technik nicht bewältigen konnte. Dabei ging es nicht nur um das Risiko, um die Intuition oder das Geschick, nein, von ihm wurde obendrein verlangt, eins mit der Maschine zu werden. Sie wie den eigenen Körper zu spüren. Sie zu pflegen und – im Notfall – nicht zu schonen, genau wie sich selbst.
    In den Schiffen der Geometer gab es im Grunde nur einen Piloten, nämlich das Schiff selbst. Ich konnte über das Terminal Befehle erteilen, den Weg bestimmen, etwas fordern und entscheiden.
    Aber ich war kein Pilot mehr.
    Der Flug in diesem Schiff bedeutete die Beerdigung unseres Berufs. Konnte sich Danilow je wieder in die Wolchak setzen , wenn er wusste, wie mühelos uns der Scout der Geometer durch die halbe Galaxis gebracht hatte?
    Würde ich es können?
    Gib uns Sicht, Bordpartner!
    Vollständige?
    Ja.
    Zunächst verstand ich nicht, worauf das Schiff mit dieser Frage abzielte. Bei meinem ersten Flug und auch bei der Flucht von Der Heimat hatten zwei kleine Bildschirme für Sicht gesorgt. Dann war da noch die Situation gewesen, da ich den Raum durch alle Sensoren des Schiffs wahrgenommen hatte … eine erschütternde, absolut ungewöhnliche Erfahrung.
    Wie sich jetzt zeigte, gab es noch eine weitere Variante.
    Die ganze Kuppel des Cockpits wurde dunkel. Statt des gleichmäßigen, weichen Lichts glitzerten jetzt Tausende von Funken auf – Funken, die in Dunkelheit versanken. Myriaden von Funken. Das war nicht die Schwärze des Kosmos mit den Lichtern der Sterne, das war ein einziges buntes Glühen mit Fetzen von Dunkelheit dazwischen. Der gesamte obere Teil des Schiffs hatte sich in einen Bildschirm verwandelt.
    »Gütiger Gott …«
    Sagte das Mascha? Oder Danilow? Oder Karel? Mein Gehör verweigerte mir den Dienst, ich konnte die Stimmen nicht mehr unterscheiden, die Intonation nicht mehr erfassen.
    Denn über mir strahlte der Himmel.
    Der Himmel der Geometer.
    Der jetzt endlich auf uns herabfallen konnte.
    Der Himmel? Oder eine Insel aus Licht?
    In diesem Augenblick glaubte ich, die Geometer ganz und gar zu verstehen.
    Das war ein einziges Lichtermeer. Man konnte kaum einen einzelnen Stern ausmachen. Ein Ameisenhaufen, ein stellarer Ameisenhaufen war er, dieser Himmel, in den die Geometer geblickt hatten. Weiße, rote, orangefarbene und blaue Lichter. Ein sich in die Unendlichkeit erstreckendes Feld, eine reiche Sternensaat.
    Der Mensch ist wie ein Stern, heißt es bei uns auf der Erde. Das beten alle nach, vom Philosophen bis hin zum Dichter. Und alle bringen mit diesen Worten einen einzigen Gedanken zum Ausdruck.
    Wir stehen weit voneinander entfernt … sind verloren in ewiger Nacht … hineingeschleudert in die große Leere …
    Der Mensch – wie ein Stern?
    Hier sah ich sie vor mir, die Sterne. Wie sie um die Wette strahlten. Wie sie den ganzen Raum sprenkelten. Wie sie sich aneinanderklammerten.
    »Ich hab’s gewusst …« Der Reptiloid drückte den Rücken durch, stellte sich auf die Hinterpfoten und reckte sich der funkelnden Dunkelheit entgegen. Unsere Figuren verschmolzen im vielfarbigen Sternenglanz. Die Schuppen des Zählers schienen sich in Spiegel zu verwandeln, in denen der Widerschein fremder Welten

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