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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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zerstört das Original?«, wollte der Alari wissen. Darauf konnte ich natürlich nicht antworten. Die zweite Alternative gefiel mir allerdings nicht gerade, selbst wenn ich zugeben musste, dass sie nicht von der Hand zu weisen war.
    Als ich meinen Vortrag beendet hatte, war die Wirkung des Narkotikums fast verflogen. Einer der Alari brachte mir schweigend ein Tablett mit Frühstück und entfernte sich wieder. Ich hockte mich hin, fing an zu essen und lauschte dem Streit. Die Verbindung zwischen dem Vortragsraum und dem Zimmer, in dem sich die »Verschwörer« versammelt hatten, war zu meiner Freude nicht abgeschaltet worden, andernfalls wäre ich mir nämlich wie ein lumpiger Spion vorgekommen.
    Es redete hauptsächlich mein Großvater. Ich glaube, alle – also sowohl die Alari als auch der Zähler – erkannten ihn als den Experten für die Geometer an.
    »Ihre Zivilisation ist ein Phänomen«, dozierte er. »Fangen wir mit dem wesentlichen Punkt an: Auf ihrem Heimatplaneten haben zunächst zwei intelligente Rassen existiert. Sind andere Fälle dieser Art bekannt?«
    »Doch, ja.« Ich glaube, die Antwort gab wirklich der Alari, nicht sein Dolmetscher. »Einige Fälle sind bekannt.«
    »Aber wie ging es mit dieser Koexistenz dann weiter?«, fragte mein Großvater aufgeregt.
    »Eine der Rassen muss in ihrer frühen Entwicklungsphase vernichtet worden sein. Die Ereignisse auf dem Planeten der Geometer dürften ja wohl mehr als banal gewesen sein. Eine Zivilisation mit niedrigerem Entwicklungsniveau sieht in einer fremden intelligenten Rasse einen Konkurrenten, der ausgerottet werden muss.«
    Aus irgendeinem Grund meinte ich, der alarische Kommandant würde sich rechtfertigen. Dachte er vielleicht an seine eigene Rasse?
    »Aber hier haben wir es mit einer etwas anderen Variante zu tun. Beide Rassen waren entwickelt und intelligent. Die Geometer haben sich durchsetzen können, weil sie eine biologische Waffe geschaffen haben, eine schier unglaubliche Leistung für eine feudale Gesellschaft.«
    »Mich überzeugt diese Einschätzung nicht«, mischte sich Mascha plötzlich ein. Sie stockte kurz, bevor sie sich überwand und etwas verkrampft fortfuhr: »Andrej Valentinowitsch … die Gesellschaft der Geometer ist einerseits in der feudalen Etappe stecken geblieben, andererseits aber in etlichen Bereichen über diese hinausgewachsen. Petja hat doch von einer langen Phase der Isolation auf einem Kontinent gesprochen, oder? Hier haben wir gewisse Analogien zur japanischen Gesellschaft. Noch dem Mittelalter verhaftet, erlaubt sie sich in einzelnen Bereichen der Wissenschaft ungeheure Fortschritte. Das würde auch ihre gesellschaftliche Grundlage, dieses System von Ausbildern, erklären.«
    Alle Achtung, Mascha! Sie traute sich, meinem Großvater zu widersprechen! Sie wächst, das Mädchen wächst …
    Ich trank den sauren Saft aus, legte mich etwas bequemer in den Sessel und schloss die Augen.
    »Trotzdem ist und bleibt es das Mittelalter, Mascha.« Mein Großvater rückte keinen Fußbreit von seiner Position ab. »Gut, eine Gesellschaft asiatischen Typs, da hast du recht. Und ihre Kultur hat tatsächlich einen asiatischen Entwicklungsweg eingeschlagen.«
    »Und was heißt das?«, wollte der Alari wissen.
    »In der Entwicklung der irdischen Zivilisation«, erklärte mein Großvater, »lassen sich zwei Hauptströmungen unterscheiden: die europäische oder westliche und die asiatische oder östliche. Die westliche Kultur ist stärker auf die einzelne Persönlichkeit ausgerichtet, auf das Individuum, seine Rechte und seine Freiheit. Die östliche stützt sich dagegen normalerweise auf die Gesellschaft und den Staat. Da wir zur westlichen Kultur gehören … ja doch … im Grunde gehören wir zur westlichen, ist uns die östliche ein wenig fremd. Bei uns ist es die Literatur, die sich mit dem Entwurf fiktiver Gesellschaften befasst. Meist geben wir diesen Gesellschaften dann die Merkmale einer asiatischen Zivilisation. Eine streng strukturierte Gesellschaft, die Unterdrückung der Freiheit des Individuums … Die östliche Kultur wiederum verleiht ihren fiktiven Gesellschaften Züge einer europäischen Zivilisation.«
    »Seltsam, dass ihr euch nicht gegenseitig ausgerottet habt«, bemerkte der Alari. »Welche Gesellschaftsform hat sich heute auf der Erde durchgesetzt?«
    »Die westliche«, antworte mein Großvater mit felsenfester Gewissheit. »Aber im Moment verwischen sich alle Unterschiede. Was aber die Zivilisation der Geometer

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