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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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meldet sich mein Verlangen zurück, vermischt mit dem Gedanken, wie die Welt von jetzt an wohl sein würde, schließlich muss sie sich verändert haben, anders geht es ja gar nicht, nach diesem Erlebnis, wahrscheinlich würde mir alles auf der Stirn geschrieben stehen … aber Lida würde es verstehen … nur sollte ich jetzt nicht an sie denken, das ist nicht fair …
    Aufstehen! Ich musste unbedingt aufstehen! Mich bewegen, mir die Welt ansehen, nicht die blassen Schatten der Vergangenheit …
    Verzeih mir, Nataschka, ich habe dich tatsächlich vergessen. Dir ist das natürlich egal. Denn du hast mich garantiert längst vergessen. Ich weiß ja, wie schnell du dich verliebst. Aber ich habe dich wirklich ein wenig geliebt. Als meine erste Frau. Verzeih mir bitte. Die erste Frau heiratet man nie. Ihr ist man nur dankbar. Aber das ist schließlich auch etwas …
    »Was tust du als Nächstes, Flugschüler?«
    »Ich gebe einen Warnschuss ab.«
    »So. Das nicht identifizierte Flugzeug reagiert nicht und setzt seinen Flug in Richtung Staatsgrenze fort.«
    »Ich verlange noch einmal, mir zu folgen … und ich gebe weitere Warnschüsse ab.«
    »Warum schießt du das Flugzeug eigentlich nicht ab?«
    Der Major lacht. Er genießt es, mich in die Enge zu treiben. Es ist nicht so, dass er mich nicht mag – das macht er mit allen. Aber besonders gern halt mit den besten Kursteilnehmern.
    »Nein, ich schieße es nicht ab.«
    Um mich herum schaukelt der Himmel. Der alte Zweisitzer fliegt in einer Höhe von zehn Kilometern. Eigentlich müsste ich steuern, aber der Major hat sich den Steuerknüppel geschnappt. Er hat nicht mehr oft die Gelegenheit zufliegen. Und auf mich wartet noch die ganze Zukunft.
    »Übrigens hat die 67er keine Schusswaffen. Hast du mal versucht, Warnschüsse mit zielsuchenden Raketen abzugeben?«
    Ich hülle mich in Schweigen.
    »Gut. Du hast die Anweisungen genau befolgt. Das Flugzeug fliegt weiter Richtung Grenze.«
    »Ich nehme mit dem Boden Kontakt auf.«
    »Du kriegst die Antwort: ›Handeln Sie den Umständen entsprechende Das antworten sie immer, Flugschüler. Vergiss nie, du sitzt am Steuer und du allein trägst die Verantwortung. Manchmal natürlich auch noch der vor Angst schweißnasse Offizier, der am Mikro sitzt …«
    »Ich nähere mich dem Flugzeug, um den Typ festzustellen.«
    »Es ist mit gleicher Wahrscheinlichkeit ein Passagierflugzeug vom Typ Boeing, eine Maschine der Radaraufklärung oder der Landetruppen.«
    »Das kläre ich jetzt.«
    »Nein, Flugschüler. Es ist nachts, und du sitzt in einer alten Maschine … du kannst nichts feststellen. Was tust du als Nächstes? Zehn Sekunden! Das Objekt nähert sich neutralem Gebiet! Übernimm das Steuer.«
    Warum spielt er das alte Spiel der koreanischen Boeing ausgerechnet mit mir? Warum? Ausgerechnet mit mir, wo meine Eltern abgestürzt sind … und niemand weiß, ob das einfach an Materialermüdung lag oder ob ein übereifriger Soldat der Luftwaffe … der sich in seiner alten Maschine am Himmel verirrt hatte, von der Unentschlossenheit der Bodenstation völlig ausgelaugt war, sich an den amerikanischen »Quarantänegürtel« erinnerte, der in den Jahren der Junta-Regierung eingerichtet worden war, an die frech gewordenen Chinesen …
    »Die Zeit ist um!«
    »Feuer!«
    Ich drücke sogar den Knopf. Reflexhaft drücke ich, nachdem ich die Sicherung entfernt und damit das Flugzeug aus dem Takt gebracht habe – die Nase hebt sich zu dem nicht existierenden Zerstörer-, den roten Abschussknopf voll durch.
    Natürlich passiert nichts. Der Knopf leuchtet, oberes gibt keinen Rückstoß von abgehenden Raketen. Niemand würde einem Zweisitzer bei einem Ausbildungsflug einsatzbereite Kampfraketen mitgeben.
    Der Major sagt nicht gleich wieder etwas. Und als er es tut, liegt in seiner Stimme leichte Verblüffung.
    »Das Ziel ist getroffen, Flugschüler. Das brennende Flugzeug stürzt ab. Was tust du als Nächstes?«
    »Ich behalte das Ziel im Auge, bis es Bodenkontakt hat.«
    »Hast du keine Angst zu sehen, was es war?«
    »Doch.«
    »Verzeih einem alten Idioten, Petja«, bittet der Major mit einem Seufzer. »Flieg zum Stützpunkt zurück!«
    Unsicher fliege ich einen Bogen, meine Hände scheinen mir nicht mehr zu gehören, aber der Major korrigiert mich nicht. Um uns herum gibt es nichts als Himmel.
    »Normalerweise behaupte ich, es war ein Passagierflugzeug«, gesteht der Major mit leiser Stimme. »Wir … wir müssen das sagen. Damit erst gar kein Übermut

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