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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Vielleicht ein Player, vielleicht eine Taschenkaffeemaschine, vielleicht eine sensationell effiziente Waffe. In mir festigte sich lediglich der Verdacht, dass mir die hiesige Technik verschlossen blieb.
    Also wirklich! Das hier musste eine besondere Form von Strafe sein! Bei den Geometern hatte es ja wenigstens noch die Lehrbücher für die Regressoren gegeben. Selbst wenn sie nicht mit der ganzen Wahrheit herausrückten und nur einen bestimmten Teil der Gesellschaft abhandelten, war mir doch Vieles klar geworden.
    »Vergiss es!«
    Das Gerät immer noch in Händen, drehte ich mich um. In der Tür stand Schnee, ebenfalls frisch geduscht und nach irgendeinem schweren blumigen Eau de Cologne duftend, in schwarzen Hosen und Hemd.
    »Der Illusor ist nun mal für Laid gemacht. Außerdem – was interessieren dich seine Träume? Kauf dir lieber einen neuen.«
    »Hmm.« Ich legte den Illusor weg.
    »Du hast also was gefunden, das dir passt.« Schnee nickte zufrieden. »Hervorragend. Willst du was essen?«
    »Ehrlich gesagt, nein.«
    »Solltest du aber.« Schnee nahm das Essen offensichtlich ernst. »Ich wollte nämlich in die Stadt fahren …«
    »Wenn du willst, begleite ich dich«, sagte ich rasch. Die Stadt – das war gut. Das bedeutete Informationen.
    »Dann nimm das.« Schnee hielt mir eine weiße Plastikkarte ohne Aufdruck oder Bild hin. »Das ist Geld«, erklärte er mir. »Bei uns sieht das so aus. Bis unsere Bürokraten in die Gänge kommen, verhungerst du. Sagen wir mal, ich leihe dir das …«
    Nun bestand kein Zweifel mehr, dass ich mich mit Fug und Recht wundern durfte. Worüber auch immer. So, wie die Welten des Schattens sich voneinander unterschieden, würde jede Frage völlig selbstverständlich klingen.
    »Ich würde gern mehr über euern Planeten wissen, Schnee.«
    »Dann mach dich schlau.«
    Wir sahen einander schweigend an.
    »Was denn? Ist der Fernseher auch blockiert?«, fragte Schnee verblüfft. Er drehte den Kopf.
    Der Fernseher sprang an. Der Bildschirm leuchtete auf und schien zu verschwinden, als öffne sich ein Fenster. Voller Neugier sog ich das Bild in mich auf.
    Ein großer Saal. Über die Bühne huschten bunte Lichtkreise. Zwischen diesen Lichtern sprang ein nicht mehr ganz junger Mann mit nacktem Oberkörper und in einer schwarzen, eng anliegenden Hose herum. Zunächst dachte ich, es sei ein Sänger, aber er stimmte nicht in die wilde, jedoch recht melodiöse Musik ein. Die hiesige Ballettvariante?
    Das Bild wechselte. Abermals eine Bühne, nur kleiner. Diesmal trat wirklich ein Sänger auf. Ein Teenager in klassischem Anzug. Er sang bemüht, aber untalentiert.
    Ein weiteres Bild. Ein langweiliger Raum in Schwarz und Weiß, ein junger Mann mit lebensfrohem lustigen Gesicht.
    »Ich offeriere meine Hilfe bei der Durchführung von Festivitäten!«
    Der Mann war überkandidelt und geschmacklos angezogen. Um den Hals trug er ein gelbes Jabot, alle Kleidungsstücke waren mit Spitze besetzt. Der Harlekin aus der Pinocchio-Inszenierung für Kinder. Er holte tief Luft und ratterte los:
     
    Gedichte, Prosa auch nach Maß!
    Wir grüßen Freunde und Kollegen.
    Bei uns gibt es für jeden was,
    drum greif jetzt gleich – sei nicht verlegen! –
    zum Telefon und ruf uns an.
    Die Lieferung kommt morgen schon!
    Vor lauter Freude springst du dann
    womöglich nackt auf den Balkon,
    beauftragst uns schon bald erneut als treuer Kunde.
    Du wirst sehen:
    An Genres, Stilen und Ideen -
    wir haben alles, was dich freut!
     
    Daraufhin tanzten grelle kleine Blumen wie Schmetterlinge über den Bildschirm.
    »Oha«, sagte ich bloß. »Oha.«
    Schnee kicherte. Das Gedicht hatte ihn ebenfalls amüsiert, ihm ein kurzes und heftiges Vergnügen bereitet, vergleichbar dem, wenn man sich an einem Mückenstich kratzt.
    Der nächste Kanal. Absolut unverständlich. Ein Stadion, über das Feld rannten Menschen. Männer, Frauen und Kinder. Sie fielen immer wieder hin, blieben reglos liegen und hielten sich bei den Händen. Nach einer Weile sprangen sie auf und rannten abermals in verschiedene Richtungen weiter. All das geschah ohne jede Musikuntermalung, in völliger Stille. Nur ein leichtes Rauschen war zu hören und schließlich eine nachdenkliche Stimme: »Die Mannschaft aus der Stadt Dsarran zeigt sich gut eingespielt. Die Frauen sind zwar nicht in Hochform, aber wie Sie sich erinnern werden, hatten sie gestern ihre Einzelauftritte …«
    Schnee hustete. »Alles nur Amateure«, sagte er. »Aber es scheint zu funktionieren.

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