Sternenschatten
verbarg.
»Das ist Laid. Wie er leibt und lebt«, sagte Schnee grinsend. »Ich habe ihm immer gesagt, er donnert sich zu sehr auf.«
Er ging zur Wand und riss die Photos kurzerhand ab.
»Werden denn seine Freunde nichts dagegen haben?«, fragte ich, da ich mich noch immer unbehaglich fühlte.
»Außer mir hatte er keine Freunde«, antwortete Schnee.
Mein Wunsch, dem Thema auf den Grund zu gehen, löste sich in Luft auf. Wenn Schnee Laids bester Freund war, dann konnte einem der Tote im Nachhinein noch leidtun.
»Brauchst du Hilfe?«, erkundigte sich Schnee lächelnd.
»Nein, danke, ich komme schon zurecht.«
»Dann mach’s dir gemütlich. Frische Bettwäsche müsste im Schrank sein. Vielleicht passt dir von den Sachen was, ihr habt fast die gleiche Figur. Schlimmstenfalls lässt du sie ändern!«
Offenbar machte er mir das Angebot in vollem Ernst. Kriegten die Soldaten hier denn keine Uniform – wie in jeder noch so erbärmlichen russischen Garnison?
»Ich schau in einem Stündchen wieder vorbei. Dann gehen wir was essen.«
»Gut.«
Schnee verließ das Zimmer. Ich stand da und schaute auf die geschlossene Tür. »Ich darf wohl davon ausgehen, angemustert zu sein«, sagte ich halblaut.
Womit sie wohl kämpften? Worum es sich bei diesen Deltas wohl handelte? Um Flugzeuge, Hubschrauber, Raumschiffe, Bodeneffektfahrzeuge? Um Papier-Ufos?
Was sollte das nun schon wieder? Welche Rolle spiel te es schon? Schließlich hatte ich ja wohl nicht die Absicht, gegen kleine grüne Männchen zu kämpfen, die von der Idee besessen waren, eins mit der Natur zu werden, oder?
Ich schüttelte den Kopf und verscheuchte das Phantasiebild. Dann inspizierte ich das Zimmer, schaute aus dem Fenster mit dem ach so malerischen Blick auf die Kasernen, die Startbahnen und den Platz. Das Schiff, mit dem wir gekommen waren, stand schon nicht mehr dort. Alles war leer und ruhig, der Wind trieb den Staub vor sich her. Eigentlich machte das Ganze sogar einen ziemlich sauberen und grünen Eindruck. Die Ökos von uns auf der Erde hätten hier beim besten Willen nichts gefunden, woran sie hätten herumkritteln können … Was gab es noch im Zimmer? Hinter einer unscheinbaren Tür entdeckte ich die Duschkabine. Auf einem Schlauch saß eine Brause, der Hahn war ganz normal. Das Waschbecken hatte dagegen keine Hähne, nur eine Öffnung unterm Rand. Anscheinend musste man die Hände auf die deutsche Art waschen, im gefüllten Waschbecken. Ich hasse das.
Auf einem Regal unterm Spiegel stand eine Flasche. Ich öffnete sie und schnupperte an der hellgrünen Flüssigkeit. Eine Art Shampoo. Ein Stück Seife fand ich auch. Ein Rasierer wäre jetzt noch schön, denn ich war inzwischen ziemlich zugewachsen. Das letzte Mal hatte ich mich noch auf dem Raumkreuzer der Alari rasiert, vor tausend Jahren … Nun erinnerte ich eher an einen kaukasischen Freischärler auf alten Propagandaplakaten.
Gut, wenigstens duschen konnte ich mich. Ich machte die Tür zu und zog mich aus. Als ich mir mit der Hand über die Wange fuhr, spürte ich den Dreitagebart. Was hätte es den Cualcua schon gekostet, die Barthaare zu beseitigen, als er mir mein eigentliches Äußeres zurückgab? Oder hatte er, während ich im Körper von Rimer steckte, akribisch berechnet, wie stark der Bart gewachsen sein musste?
Stören dich die Haare im Gesicht?
Cualcua!
Ich freute mich nicht einfach – ich wäre vor Freude beinahe in die Luft gesprungen. Ein Hilfsangebot, noch dazu bei einer winzigen, nicht lebenswichtigen Sache, stellte ein Novum im Verhalten meines Symbionten dar.
Ja. Kannst du den Bart entfernen?
Den Schnauzer und den Bart?
Ja.
Ich wollte es lieber nicht riskieren, auf seine Barbierfähigkeiten zu vertrauen. Sollte er mich ruhig glattrasieren.
Du kannst die Härchen jetzt abschütteln.
Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. Kleine Härchen rieselten zu Boden, genau wie nach einer Trockenrasur.
Sammel sie auf! Leg die Hand darauf! Ich brauche das Elastin, bat der Cualcua.
Nach kurzem Zögern klaubte ich ein Häufchen meines Barts zusammen und legte die Hand darauf. Sollte der Cualcua sich satt essen. Er war mein Partner. Und er hatte seine Bedürfnisse.
Ich hätte sie auch durch deinen Körper aufsaugen können, aber das hätte dir Schmerzen bereitet.
Komisch.
Sehr komisch.
Niemals – selbst dann nicht, als ich mit dem Tod konfrontiert war – hatte sich der Cualcua derart fürsorglich gezeigt. Entweder musste sich mein amöbenartiger Freund gebessert
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