Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
aufkommt. Das Land braucht keine Zwischenfälle.«
    Ich schweige.
    »Aber dir sage ich die Wahrheit«, teilt mir der Major sachlich und unmissverständlich mit. »Es war ein amerikanischer Bomber.«
    Ich stand. Ich war schon aufgestanden.
    Welchen Sinn hatte es, einen Bomber abzuschießen, der mit seiner todbringenden Fracht auf dem Rückflug war?
    Einen ganz ummittelbaren natürlich.
    Um jemandem eine Lektion zu erteilen.
    Hast du es jetzt verstanden, Pjotr?
    Ich war noch nicht wieder ganz zu mir gekommen. Ich sah mich in dem engen Bad um. Hier war niemand, nur die Stimme des Cualcua erschallte tief in meinem Hirn. Ein deutliches und leises Flüstern. Ich befand mich auf einem Planeten des Schattens. Die Erde mit ihren Problemen einer Spielwelt war unvorstellbar weit weg.
    »Ich glaube schon. Was war das?«
    Die Erfassung. Als du durch das Tor gegangen bist, ist genau das mit dir passiert. Nur hast du es nicht gespürt. Ich habe alles etwas grober gestaltet. Mit Absicht.
    Mir war schwindlig. Erinnerungen sausten um mich herum, wirbelten durcheinander und machten mir das Herz eng. Schatten von Erinnerungen …
    Jetzt kenne ich dich wesentlich besser. Ich habe dich erfasst – und kann es dir erklären. Stell dir vor, du hieltest ein Papierflugzeug in der Hand. Du holst aus und lässt es fliegen … So funktionieren die Kabinen der Geometer. Und jetzt stell dir vor, du würdest das Papier zunächst entfalten. Um alles zu lesen, was darauf steht.
    Dann würdest du es wieder falten. Das sind die Tore vom Schatten.
    »Und du hast Angst bekommen, weil jemand meine Gedanken gelesen hat?«
    Nein. Denn das ist nichts Besonderes. Jedes intelligente Wesen, dessen Verstand mindestens eine Stufe höher angesiedelt ist als deiner, könnte dich erfassen.
    Das heißt?
    Ja. Auch ich bin erfasst worden.
    Interessant. Der Cualcua war daran gewöhnt, die Welt zu betrachten, ohne im Gegenzug etwas zu fordern, aber auch ohne etwas zu geben … nichts Wesentliches jedenfalls, einzelne Zellenindividuen zählen schließlich nicht.
    Mindestens eine Stufe, Pjotr! Begreif das. Es gibt eine ungeschliffene Kraft wie die Daenlo, Hyxoiden oder die Torpp. Dann gibt es die genial organisierte Rasse der Zähler. Aber sie sind zu stark auf ihre Individualität fixiert. Deshalb haben sie den Weg der Verstandsverschmelzung nicht beschritten. Bei allen Rassen gibt es einzelne Individuen mit einem großen geistigen Potenzial. Mitunter verfügen sie nur über ein absolut zu vernachlässigendes Wissen, dafür sind sie jedoch imstande, sich dem Neuen zu öffnen. Aber mich hat ein in sich geschlossener Verstand erfasst, der sich mit meinem vergleichen lässt, ihm aber weit überlegen ist. Er hat mich umgestülpt, absorbiert und wieder losgelassen. Mir blieb keine Möglichkeit, etwas dagegen zu unternehmen. Wenn ich es vorher gewusst hätte …
    »Dann hättest du dich umgebracht. Jenen Teil von dir, der in meinem Körper lebt. Und wahrscheinlich wäre ich dann auch gestorben.«
    Ich lachte. Also das amüsierte mich nun wirklich.
    »Du hast dich daran gewöhnt, einfach in fremden Körpern zu hocken, nicht wahr, Cualcua? Die Welt zu beobachten und Wissen anzuhäufen? Passiv und die Ruhe genießend … Aber jetzt ist es vorbei mit der Ruhe, mein Freund. Wir sind jetzt gleich … gleichermaßen unbedeutend.«
    Erschreckt dich das denn nicht?
    »Weshalb sollte es? Ich bin daran gewöhnt, schwach zu sein.«
    Ich drehte den Hahn der Dusche auf, und der Brause entströmte ein harter Strahl warmen Wassers. Genussvoll ließ ich es auf mich herabprasseln.
    Was wirst du jetzt tun?
    »Mich waschen.«
    Und weiter?
    »Den Betreiber dieses Theaters suchen.«
    Ich glaube, das ist kein Theater, antwortete der Cualcua. Daraufhin verstummte er wieder, zog sich zurück in jene Tiefen , aus denen er so ungern auftauchte.
    Na schön, wenn er es so wollte … Ich spritzte mir Shampoo auf den Handteller und seifte mich ein. Das sollte kein Theater sein? Da war ich aber ganz anderer Meinung. Wenn jemand mein ganzes Leben während des kurzen Moments bei einem Hyper-Übergang eingescannt hatte und nun wusste, wer ich war und woher ich kam, dann konnte das Ganze nur ein Experiment sein. Vermutlich hatte mein Großvater das geahnt.
    Und die Geometer mussten aus Furcht vor dieser fremden Kraft geflohen sein. Sie hatten diese Kraft gespürt – und wollten es nicht riskieren, sich mit ihr einzulassen. Bekanntlich hilft gegen ein Brecheisen lediglich ein anderes Brecheisen. Aber die einzige

Weitere Kostenlose Bücher