Sternenschimmer
Handbewegung. »Lenk nicht ab! Los, raus mit der Sprache … ich will Fakten.«
Schon bald saßen wir uns im Schneidersitz auf dem Bett gegenüber.
Ich erzählte und erzählte. Von der loduunischen Sichtweise auf das Leben und den Tod – was Lena »echt spooky« fand – und von Hopes Sinn, Kinder zu bekommen, weiter ging es damit, dass es Tonys Bestimmung war, glücklich zu machen, und Ariels, Frieden zu stiften. Als sie von Iasons und Finns Wächter-Dasein erfuhr, jagte ihr das einen Heidenschreck ein, und dass Loduuner angeblich nicht lieben, sondern nur »Zuneigung« empfinden konnten, kommentierte sie mit: »Scheiße, dir bleibt aber auch nix erspart.« Lena wollte alles wissen und bat mich, nichts auszulassen. Dementsprechend dauerte es, bis ich ihr erklärt hatte, warum ich nach der gelungenen Flucht zum Labor, oder besser gesagt zu Iason, zurückgegangen war.
»Weißt du eigentlich, dass ich fast verrückt geworden bin vor Sorge um dich?«, schimpfte sie mit mir. »Ich hab dir doch über das Walkie-Talkie gesagt, dass Iason sich allein wehren kann.«
»Ich weiß«, antwortete ich zerknirscht. »Aber eine Stimme in mir sagte, er würde es nicht tun.« Ich nahm ihre Hand. »Sie sagte es nicht nur, sie schrie es förmlich. Und da wusste ich, ich würde ihn nie wiedersehen, wenn ich nichts unternahm.« Ich sah sie kurz an und senkte dann den Blick. »Ab dem Moment war es mir egal, was mit mir passiert«, gestand ich leise.
»Du meinst, Iason hatte gar nicht vor, diesen Typen zu entkommen?« Fassungslos blickte Lena mich an.
»Er wollte seinen Sinn zu Ende bringen«, sagte ich. »Und er wusste, dass der Mann, den zu töten er für seinen Sinn gehalten hatte, ebenfalls im Labor war.«
»Gehalten hatte ?«
»Ja, es war nicht Iasons Sinn. Das hat er aber erst erkannt, als es fast zu spät war. Hättest du nicht die Polizei gerufen …« Ich fiel ihr um den Hals und drückte sie an mich. »Wer weiß, was dann passiert wäre.«
Schluchzend schlang nun auch sie die Arme um mich. »Du blöde Kuh, du! Um ein Haar hätte ich dich verloren.«
»Es tut mir leid.« Ich wusste, das würde ihr nicht viel helfen, aber ich konnte ihr nicht versprechen, dass so etwas nie wieder geschah. Genauso wenig, wie Iason es mir versprechen konnte.
Nach etlichen gewimmerten Beschimpfungen richtete Lena sich auf. Sie wischte sich mit dem Handrücken unter der Nase entlang und sah mich durch einen Tränenschleier hinweg an.
»Aber wenn es nicht Iasons Sinn ist, diese Hand zu töten, wer oder was ist es denn dann?«
Eigentlich hatte ich mich auf diese Frage eingestellt, aber jetzt, da Lena sie aussprach, kam der Schock, der in der Antwort lauerte, mit voller Kraft zurück.
»Ich bin es«, murmelte ich so leise, dass ich mich selbst kaum verstand. Doch Lena hatte es gehört. Das merkte ich, weil sie vom Bett fiel.
Besorgt beugte ich mich über den Rand. »Hast du dir wehgetan?«
»Nicht der Rede wert«, presste sie durch die Zähne. Ich reichte ihr die Hand, um sie wieder hochzuziehen. Sie lehnte ab und rappelte sich selbst wieder auf.
» Du?«
Es war nicht die Kürze der Frage, sondern mehr Lenas Tonfall. Ich wusste einfach nicht, wie ich antworten sollte.
»Okay«, ließ sie mein Geständnis erst mal sacken.
»Iason glaubt, dass ich irgendeine Rolle für Loduun spiele«, gab ich mir dann doch einen Ruck. »Welche genau, kann er sich auch nicht erklären. Zumindest hat es etwas damit zu tun, dass der Krieg zu Ende geht.«
Lena hob die Brauen.
»Das ist jedenfalls seine Theorie«, fügte ich hinzu.
In Lenas Miene traten Sorge und Mitleid zugleich. »Der Arme weiß gar nicht, worauf er sich einlässt.«
»Dann traust du mir also zu, dass ich unser Schicksal mitbestimmen kann?«, fragte ich Beistand suchend.
»Ich trau dir alles zu«, baute sie mich auf.
Das war meine Lena.
Lange Zeit hielten wir uns an den Händen, weinten und lachten, kicherten und seufzten, als es plötzlich an der Tür klopfte.
»Lena?«, drang die Stimme ihres Vaters von draußen herein.
»Unters Bett, schnell!«
Das musste sie mir nicht zweimal sagen.
»Ich komme«, rief Lena gelangweilt. Zu aufgesetzt, meiner Meinung nach.
Ihr Vater sah das wohl ebenso, denn als sie aufschloss, musterte er sie misstrauisch.
Eine Sache, die mich an Herrn Heinemann echt gruselte, war, dass er kaum mit seiner Tochter sprach. Auch jetzt sagte er kein Wort. Sein Blick schweifte durch das Zimmer. Ich hätte einiges dafür gegeben, in diesem Moment auf die
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