Sternenschimmer
an den Tisch setzen und eine endlose Strafpredigt über mich ergehen lassen. Ihr donnernder Tonfall machte mir die ganze Zeit über ausgesprochen klar, dass nur die geringste Form des Widerstands sie in einen Zustand versetzen würde, der für mich äußerst unangenehme Folgen hätte. Ich musste versprechen, nie und niemals wieder wissentlich das Gesetz zu übertreten, andernfalls … na ja, es wargefährlich, es zu diesem Zeitpunkt auf ein »Andernfalls« ankommen zu lassen …
Am Ende war sie so heiser, dass ich kaum mehr verstand, was sie da eigentlich schrie. Irgendwann deutete ich vorsichtig darauf hin, wie spät wir es eigentlich hatten. Ihr Termin für die bevorstehende Skulpturenausstellung war inzwischen gefährlich nahe gerückt. Sie fuhr sich wild durchs Haar und guckte schließlich selbst auf die Uhr. Dann wies sie mich unfairerweise darauf hin, welchen Ärger es erst gäbe, wenn sie wegen mir auch noch ihren bevorstehenden Karrieresprung verpassen würde. Sie ließ den gesamten Abwasch stehen, schwang sich in ihren Ausgeh-Mantel und schlug, ohne ein Wort des Abschieds, die Tür hinter sich zu. Eltern eben.
Von Lena erfuhr ich später, dass ihre Eltern ihr sogar den Kontakt mit uns untersagt hatten. Auf die Arbeit durfte sie auch nicht mehr. Dabei war die Sache für sie, Iason, Finn und mich noch recht glimpflich ausgegangen. Weil Fred uns zuerst angegriffen hatte, konnte der Verfahrenspfleger auf Notwehr plädieren. Greta allerdings musste sich heute vor Gericht wegen Sachbeschädigung verantworten.
Ein Summen riss mich aus meinen Gedanken. Hatte es gerade geklingelt? Ich stellte mein Spülwasser ab und drehte das Radio leiser. Ring Rang. Tatsächlich. Verflixt, wer kam denn jetzt? Ich war sowieso schon spät dran. Gretas Gerichtsverhandlung begann in nicht mal mehr eineinhalb Stunden und ich hatte mit den anderen verabredet, dass wir Greta beistehen würden. Und wenn Lena dafür heimlich aus dem Fenster klettern musste. Mit dem Geschirrtuch über der Schulter ging ich zur Tür, öffnete und drückte den Summer für unten. Danach eilte ich zurück in die Küche. Wer auch immer es war, er sollte einfach reinkommen und helfen. Schweigend drehte ich mit dem Stahlschwamm weiter meine Runden über die verkrusteten Risottostellen.
Kurz darauf vernahm ich ein Klopfen aus dem Flur.
»Mia?«
Oh nein! OH NEIN! Voller Schreck ließ ich den Topf in die Spüle fallen, riss das Handtuch von meiner Schulter und rubbelte mir die Quarkmaske aus dem Gesicht.
Dann stolzierte ich würdevoll – zumindest mit dem Rest Würde, den man in solch einer Situation noch zusammenkratzen kann – in den Flur.
Iason stand in der Tür und sah sich zögerlich um. Als er mich erblickte, trat verlegene Freude in sein Gesicht.
Ich versuchte Gelassenheit vorzutäuschen, aber dann entwischte mir doch ein verlegenes »Hi«.
Sein Blick wanderte über mein Gesicht. »Komme ich ungelegen?«
»Nö. Wieso?«
Interessiert betrachtete er meine Stirn.
Verflixt, ich hatte das rosa Puschelband vergessen. Schnell zog ich es aus den Haaren. »Ähm, wolltest du etwas Bestimmtes?«
»Ich bin hier, um dich abzuholen. Heute ist Gretas Gerichtsverhandlung, schon vergessen?«
»Keine Spur. Komm doch rein.«
Der Flur war weder lang noch breit. Und zudem mit dem Klavier und unserem Garderobenständer so vollgestellt, ich hatte nur wenig Platz zum Zurückweichen. Iason trat ein und blieb dicht vor mir stehen. Innerhalb unserer Miniaturwohnung kam er mir noch größer vor.
Mir stockte beinahe das Herz, als er die Hand an mein Haar legte und sachte nach einer Strähne fasste. Stirnrunzelnd zog er etwas heraus und zerrieb es zwischen zwei Fingern. »Hast du Quark im Haar?«
Es half nichts. Ich musste mit der Wahrheit rausrücken. »Ich hab mir vorhin ’ne Maske gemacht.«
»Mit Quark?«
»Ja, das spendet Feuchtigkeit. Warum?«
»Nur so. Doch hat es irgendeinen tieferen Sinn, weshalb danoch Reste in deinem Gesicht sind, oder darf ich sie dir abwischen?«
»Äh, wartest du bitte mal einen Moment? Ich bin gleich wieder da.«
Es war wie verhext. Was immer ich tat, es wollte mir einfach nicht gelingen, lässig zu sein. Verzweifelt schloss ich mich im Badezimmer ein und stellte den Wasserhahn auf Sturmflut. Nachdem ich mir peinlichst genau das Gesicht gewaschen hatte, überprüfte ich es auf eventuelle Molke-Rückstände, sah noch einmal genauer nach, und noch mal. Da war definitiv nichts mehr. Also trocknete ich mich ab und lauschte hinaus. Es
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