Sternenschimmer
ab und machte mich zurück ins Bad. Heute würde ich definitiv zu spät kommen.
Ich hatte Glück. Das Schiff kam zeitgleich mit mir an der Haltestelle an. Völlig abgehetzt stieg ich ein und erreichte in letzter Minute die Schule. Iason lehnte lässig an der Mauer des Schulgeländes. Als ich ausstieg, begannen seine Augen noch intensiver zu strahlen, als sie es ohnehin schon taten. Ich ging zu ihm hin, und auf einmal überkam mich eine tiefe innere Ruhe. Sollte Frau Müller mich doch wegen Zuspätkommens meinen Bioordner aufessen lassen.
Mit Iason an meiner Seite verging der Vormittag wie im Flug – mit Lichtgeschwindigkeit.
Es wurde ein sonniger Freitagnachmittag. Arbeiten mussten wir wegen des Parkfests heute nicht. Weil die Eissporthalle am Freitag schon nachmittags geschlossen hatte, schlug Iason vor, wir könnten dort hingehen. Die Bruthitze, so sagte er, sei heute kaum auszuhalten. Sicherlich wären auch Finn und Luna froh, wenn sie ihr für ein paar Stunden entkommen könnten.
Die Idee, sich in der Eissporthalle etwas abzukühlen, hatte zugegebenermaßen seinen Reiz. Die Sonne knallte so intensiv, selbst mir perlte Schweiß von der Stirn. Dennoch wollte ich lieber in den Tulpenweg gehen. Ich hatte die Kinder in den letzten Wochen kaum gesehen.
Iason warf einen Blick auf das Thermometer in seinem iCommplete. »Hältst du es für ein paar Stunden ohne mich aus?«
Ich tat so, als müsste ich überlegen.
Verzweifelt zeigte er mir sein Display. Wow, sechsundvierzig Grad!
Ich lachte und damit war die Sache entschieden. In Wahrheit kam auch mir eine kurze Pause ganz gelegen. Ich brauchte dringend etwas Zeit für mich. In erster Linie, um die letzten zwei Tage sacken zu lassen. Auch Glück musste eben verdaut werden.
Es war inzwischen halb vier, und ich schlug Iason vor, ihn gegen acht an der Eissporthalle abzuholen. Er rief Finn und Luna an.
Als ich im Tulpenweg eintraf, kam Tony mir auf seinen kurzen Beinchen entgegengeflitzt.
»Mia! Meine Holde!«
Er schwang sich in meine Arme und ich drehte ihn im Kreis.
»Na, mein Großer, wie war dein Tag?«
»Ich habe einen Zaubertrick von Bert gelernt.«
»Echt?«
»Ich weiß selbst nicht, wie er geht, aber Bert meint, wenn ich mich ganz doll konzentriere, kann er Bonbons aus meinem Ohr wachsen sehen und die pflückt er dann.«
Ich griff in meine Jackentasche und verbarg einen Kaugummi in der Hand.
»Zeig mal.«
Tony kniff angestrengt die Lippen zusammen und seine perlmuttschimmernde Haut begann zart zu glimmen. Zunächst war ich mir unsicher, aber dann erkannte ich ein schwaches hellblaues Strahlen, das aus seinen Augen trat.
»Tony!«, stieß ich überrascht aus.
»Wächst was?«, presste er zitternd hervor.
Beinahe hätte ich vergessen, weshalb er sich so bemühte. »Aber ja!« Ich griff mit dem verborgenen Kaugummi an sein Ohr. »Da, schau.«
Tony entspannte sich und blickte mit großen Augen in meine offene Handfläche.
»Bisher hat es nur bei Bert geklappt.« Freudig sah er mich an. »Ich werde besser.«
Hand in Hand gingen wir ins Haus.
Außer Luna, die sich mit Finn schon auf den Weg gemacht hatte, waren alle Kinder da. Niemand lud sie mehr ein. Ich verstand meine Landsleute einfach nicht.
So schön, wie der Nachmittag angefangen hatte, so sehr entwickelte er sich später zu einer Katastrophe.
Silas und Ariel gerieten in eine heftige Schlägerei. Die Ursache des Streits war am Ende nicht mehr genau nachvollziehbar, aber Ariel setzte in seiner Wut solche Kräfte frei, dass er dem gut einen Kopf größeren Silas eine blutende Nase und einige blaue Flecken verpasste. Selbst Bert gelang es diesmal nicht, den Jungen zu beruhigen, hatte Silas doch angeblich Ariels neu gebautes Lego-Schiff kaputt gemacht.
Danach kam Hope auf die glorreiche Idee, uns allen Grießbrei zu kochen. Sie benutzte dafür allerdings keinen Stahltopf, sondern eine Plastikschüssel. Das ganze Haus stank zum Schluss nach angeschmortem Kunststoff.
»Bist du immer noch dran?«, fragte ich Frank bei dem Versuch, gemeinsam mit Hope die Sauerei vom Herd zu entfernen.
Frank saß mit dem altmodischen Walkie-Talkie am Küchentisch und drehte an dessen Knöpfen.
»Ja, und weißt du was? Ich glaube, vorhin habe ich eine fremde Funkwelle empfangen.«
»Sag bloß.« Interessiert legte ich den Stahlschwamm beiseite und setzte mich neben ihn.
Frank zog sich wieder den verkabelten Haarreif namens Kopfhörer auf.
»Sie war ganz schwach, aber … da … da ist sie wieder.« Er
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