Sternenschimmer
wieder zurück. Frank ging zu ihr und wiegte sie in den Armen, aber Iason nahm es in Anbetracht der Gefahr, in der wir schwebten, als gegeben hin und wandte sich mir zu.
»Mia.« Ich traute dem Klang seiner Stimme nicht. Er war zu kalt, zu abgeklärt.
Zögernd streckte ich meinen Kopf in das schwarze Loch. Puh, war das dunkel und eng. Mir war, als würde etwas meinen Hals zuschnüren. Vor meinen Augen verschwammen Toms Beine und Lenas Hände, die um seinen Gürtel griffen. Ich fühlte eine seltsame Panik in mir aufsteigen.
»Beeil dich«, zischte Iason. Ich drehte mich zu ihm um. Der Abschied lauerte in seinem Gesicht und wies mir wie eine Karte meinen Weg auf, den einzigen Weg, der für mich vorstellbar war.
Ich widmete mich wieder meiner besten Freundin. Ein letztes Mal vielleicht. Umständlich, damit ich ihn nicht berührte, stütze ich mich neben Toms Beinen ab und schob mich, so weit es ging, zu ihr vor, was nicht viel war. »Lena.« Ich streckte die Hand nach ihr aus, um sie zu erreichen. »Du und Tom, ihr geht jetzt zusammen heim. Heim, Lena.«
Lenas kalte Finger umgriffen die meinen. »Tu’s nicht.«
Ob Lena nur im Geringsten bewusst war, welches Geschenk mir ihre Sorge um mich machte?
»Ich muss.« Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. »Wünsch mir Glück«, sagte ich und dann glitt ihre Hand aus meiner, als ich mich aus dem Schacht zurückzog und Iason zuwandte.
»Vielleicht soll es so sein«, sagte ich.
Er sah mich unergründlich an.
»Lena«, raunte Frank in das Loch hinein. »Kommst du da drinnen alleine klar?«
»Ja, es klappt«, drang es schon von ziemlich weit entfernt zu uns vor. »Der Boden ist aus Metall und spiegelglatt.«
»Frank«, versuchte ich, ihn umzustimmen, »das solltest du nicht.«
»Ich weiß«, sagte er und schloss die Klappe. Er stützte sich auf ein Knie und zog seine Tennissocken hoch. »Hoffentlich haben die da draußen nichts von dem bemerkt, was hier abgeht.«
»Jedenfalls sollten wir zügig fort von hier.« Iason öffnete auf seine übliche Weise eine zweite Tür im Raum, die mir dadurch überhaupt erst auffiel.
»Wollen wir nicht lieber zurück zum Ausgang«, jammerte Greta.
»Wenn wir das tun, werden sie uns sofort erschießen«, meinte Iason. »Sie bestimmen den Weg, den wir gehen.«
Also gingen wir ihn.
Ich wollte ihm in den Flur folgen, da streifte ich Greta und bemerkte, dass sie wie erstarrt war.
»Greta?« Ich fuchtelte mit den Händen vor ihrem Gesicht herum. Sie antwortete nicht und sah ins Leere. Ohne weiter zu zögern, schob ich ihren widerstandslosen Körper in Richtung Tür.
»Frank, kannst du mir mal helfen. Greta dreht, glaube ich, gerade durch.«
Frank kam zu mir. »Greta?« Keine Antwort. »Ein Schock vermute ich.«
Da fiel mir mein neues Allheilmittel ein. Vielleicht wirkte es auch diesmal? »Hier, ich hab noch Eis in meiner Tasche.« Ich zog die Schachtel Eiskonfekt hervor und legte Greta ein Stück davon auf die Zunge. Den Rest verstaute ich wieder sicher in meiner Jackentasche. Wer wusste schon, wozu es noch gut sein würde.
»Greta?«
»I… ich hab Angst, Mia«, sagte sie beinahe tonlos.
Ich nahm sie fest in die Arme. »Ich auch, Greta, ich auch. Aber wir sind zusammen.«
Sie nickte und wirkte etwas gefasster.
»Mia?«
Ich sah auf und entdeckte Iasons schattigen Umriss im Gang.
»Wir kommen.«
Der Gang, den wir nun betraten, war ebenfalls schwach beleuchtet. Unsere Schritte hallten dumpf auf dem Betonboden wider. Wir bogen um eine Kurve. An einer Abzweigung öffnete sich uns eine Tür nach links, an der nächsten nach rechts, dann führte der Weg immer weiter geradeaus. Schritt für Schritt kamen wir ihm näher, dem Ende. Und doch spürte ich keine Furcht. Alles, was zählte, war bei mir oder – ich dachte an Lena und Tom – hoffentlich bald in Sicherheit.
Nach zweihundert Metern etwa wurde der Weg unterbrochen. Eine schwere Stahltür ließ ihn in einer Sackgasse auslaufen.
»Und jetzt?«
Iason sah mich an. »Das ist der Eingang zum Raketenbunker. Wir müssen nur warten. Sie wissen, dass wir hier sind.«
Wir verharrten reglos, bis die Tür zu brummen begann. Sie glitt nach oben und gab den Zugang zu einer riesigen Halle frei.
In ihrer Mitte befand sich ein ovales, etwa swimmingpoolgroßes Becken, das in den Boden eingelassen war. Gleißendes, neongrünes Licht drang daraus hervor. Mein Blick fiel auf ein Meer von Metallkisten, die am rechten Rand des Beckens standen. Übereinandergestapelt ragten sie
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