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Sternenschimmer

Sternenschimmer

Titel: Sternenschimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Winter
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wollte losstürmen. Diesmal aber war Frank schneller und schlang die Arme um ihren Oberkörper. Sie schlug und trat nach ihm. Er schaffte es immer weniger, sie zu halten.
    Diesmal war es war ein lang gezogenes Kreischen.
    »Das ist Tom!« Lena riss sich los und stürmte die Treppe hinab.
    »Lena!« Ich rannte ihr hinterher.
    Lena war schon nicht mehr zu sehen. Natürlich nicht. Toms Schreie hatten sie in Panik versetzt, genau wie mich ihre hysterische Reaktion. Ich setzte alles dran, sie einzuholen. Iason schloss zu mir auf. Er versuchte erst gar nicht, mich zurückzuhalten. Er wusste genau, es hätte keinen Sinn. Bald schon wurde es dunkel hinter uns. Die Ausgangstür sank hinab. Ohne weiter darauf zu achten, liefen wir den Gang entlang. Anfangs war es stockfinster und wir irrten durch die Dunkelheit. Später aber begleitete eine Notbeleuchtung den Weg. Die blassen Röhren zogen in meiner Angst um Lena wie Streiflichter an mir vorbei. Aus dem Augenwinkel erkannte ich Iason, der dicht an meiner Seite lief. Hinter uns hörte ich Franks Keuchen und Greta fluchen.
    Immer wieder hielten wir an, damit Iason Lenas Schritte orten konnte, die sonst in unseren eigenen untergingen. Dann hasteten wir weiter. Toms Schreie wurden lauter. Lena rief gellend seinen Namen. Wo war sie? Wo steckte sie nur?
    »Das kam von dort«, zischte Iason. Wir stürzten in den Gang nach links.
    »Was ist das?« Hektisch deutete ich auf einen Schatten.
    »Tom!«
    Wir fuhren wie Wurfgeschosse herum.
    »Das kam von da hinten!«
    Wir liefen zurück und jagten in den nächsten Seitengang hinein.
    Da erstarben die Schreie.
    Eine unerträgliche Weile lauschten wir in die Dunkelheit. Nichts, kein Geräusch durchbrach die Stille.
    »Was ist …?«
    »Psst«, fiel Iason mir ins Wort.
    Er nahm meine Hand und zog mich weiter. Oh Gott, was geschah hier gerade? Frank und Greta blieben dicht hinter uns.
    »Da ist was«, flüsterte Greta ängstlich. Und nach wenigen Herzschlägen hörte ich es auch; ein schwaches Wimmern, demwir immer näher kamen; dass sich von Schritt zu Schritt gequälter anhörte.
    Vor einer nächsten Tür blieben wir stehen. Entsorgungskammer stand auf einem Schild daneben, und das Wimmern kam von da drinnen. War es Tom? Oder Lena? Es klang so grässlich und schmerzverzerrt, dass ich es nicht zuordnen konnte. Iason ließ meine Hand los, um nachzusehen. Da die Angst meine Glieder lähmte, überholten auch Frank und Greta mich. Das Wimmern wurde zu einem erstickten Röcheln. Lena! Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst und trat ein.
    Getrieben von diesem Wimmern setzte ich einen Fuß vor den anderen und wäre beinahe mit Greta zusammengestoßen, die mit den Händen auf dem Mund zum Ausgang zurückstolperte. »Wir müssen ein Krankenschiff rufen!«
    »Vergiss es, hier hast du keinen Empfang.« Ich ging an ihr vorbei. Lena kniete umringt von den beiden anderen in einer Ecke.
    »Er atmet, er atmet«, murmelte sie ein und dieselben Worte immer wieder wie ein Mantra vor sich hin.
    Zunächst war es Frank und kurz darauf Iason, die sich vorsichtig auf sie zubewegten, ihr klarmachen wollten, dass wir dringend wegmussten. Aber sie stieß alle von sich und ließ keinen an Tom heran. Tom war bewusstlos, die Kleidung in sein eigenes Blut getränkt, seine Glieder standen verdreht ab, und das Gesicht war mit frischen Wunden auf eine Weise entstellt, die ihn mehr tot als lebendig scheinen ließ. Aus der Angst heraus, irgendwer könnte ihm noch weitere Schmerzen zufügen, schirmte Lena ihn mit ihrem eigenen Körper ab. Reißende Schluchzer drangen aus ihrer Kehle, während sie versuchte, die Fessel zu lösen, mit der man ihn an ein Heizungsrohr gebunden hatte.
    Da lag er, als Druckmittel und Lockvogel aufgebraucht. Sie hatten ihn weggeworfen wie eine Tüte Abfall, so wie sie mich hatten liegen lassen, weil sie nicht wussten, wer ich war.
    »Er atmet, er atmet.«
    So behutsam wie möglich versuchte Lena, den Knoten von dem zu lockern, was einmal Toms rechte Hand gewesen sein musste.
    »Er atmet, er atmet.«
    Die Stricke waren so fest, sie schnitten tief in Toms Fleisch.
    »Er atmet, er atmet, er atmet.«
    »Lena, lass mich das lösen.« Iason berührte ihre Schulter, doch sie schüttelte ihn ab, schlug kurz um sich und machte weiter.
    »Er atmet.«
    Ich trat auf sie zu und ging neben ihr in die Hocke. »Lena. Iason befreit Tom mit wenigen Blicken. Glaub mir, auf diese Weise schmerzt es ihn am wenigsten.«
    Nie hätte ich auch nur zu hoffen gewagt, dass sie

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