Sternenschimmer
jetzt, das war eine gute Frage. Wie ging das, freundlich zu jemandem zu sein, wenn man ihm am liebsten den Hals umdrehen würde? Ratlos äugte ich zumGemeinschafts-iCommplete. Ein kleines gelbes iPad mit Pen lag daneben. Er fing sofort mein Interesse ein. Ich stand auf, ging darauf zu und las eine Nummer, die in eleganten, gleichmäßigen Buchstaben daraufgeschrieben war. Konnte das Iasons Handschrift sein?
Darunter stand: Hopes Freundin Tanischa.
Ich weiß selbst nicht, wie es passieren konnte, aber plötzlich war der Hörer in meiner Hand und die Nummer gewählt, ohne dass ich auch nur eine Idee hatte, was ich eigentlich sagen wollte. Ich hatte wirklich versucht, sachlich zu bleiben. Aber diese Mutter war so … so … na so, wie bornierte Leute eben sind. Und deshalb war es mit meiner Professionalität schon bald vorüber. Ich hatte es versucht! Wirklich! Das, was ich Frau Minyer dann allerdings an den Kopf warf, war zu unflätig, um es in Einzelheiten wiederzugeben. Auf den Punkt gebracht, ich hatte komplett die Fassung verloren und mein ganzes Schimpfwörterrepertoire – was alles andere als gering ist – ausgepackt. Danach drückte ich das Gespräch weg.
»Bekloppte Kuh«, schnauzte ich noch einmal den Hörer an.
»Was tust du da?«
Ich fuhr herum. Iason stand hinter mir.
»Glaubst du, das hat jetzt irgendwas gebracht?«, fragte er.
»Wenigstens weiß sie nun, wie ich über sie denke.« Brummend legte ich das iCommplete weg. »Nein, wahrscheinlich hat es nichts gebracht. Aber diese Frau ist einfach eine blöde Ziege.«
»Und sie hat bestimmt darauf gewartet, das von dir zu erfahren!«
»Entschuldige, ich wollte nur helfen!«
»Ich brauche deine Hilfe nicht, und Hope im Übrigen auch nicht.«
Ich straffte meine Schultern. »Wenn Hope mich um etwas bittet, entscheide ich allein, ob ich es tue.«
Fassungslos sah er mich an, während meine Worte bei ihmsackten. »Hope hat dic h gebeten, bei Tanischas Mutter anzurufen?«
Ich hob das Kinn. »Zumindest war sie einverstanden.«
Mit zwei Schritten war Iason an der Terrassentür, riss sie auf und zischte etwas hinaus. Ich verstand nicht, was er sagte, aber die Wut, die daraus sprach, war deutlich. Ich spähte aus dem Fenster und sah, wie Hope daraufhin von der Schaukel rutschte und auf uns zukam. Als sie das Wohnzimmer betrat, funkelte Iason sie so heftig an, dass ich nach ihrer Hand griff.
»Hope?« Dann redete er in scharfen Zischlauten auf sie ein. Es musste Loduunisch sein, aber diesmal konnte ich es hören. Hopes Antwort hörte ich hingegen nicht. Sie bewegte kaum merklich die Lippen, wenn Iason ihr die Gelegenheit gab, sich zu verteidigen. Anschließend wies er mit einem kurzen Blick zur Tür.
Das Mädchen senkte die Schultern, ließ meine Hand los und ging hinaus.
Geschockt sah ich ihr nach.
»Ist das eine Art? Die Kleine so anzuschnauzen, nur weil du mit mir ein Problem hast?«, fuhr ich ihn wütend an.
»Willst du mir etwa vorschreiben, wie ich mit meiner Schwester umzugehen habe? Ausgerechnet du, die ihr gerade einen Bärendienst erwiesen hat.«
» Was hab ich!?«
»Verdammt, Mia, jetzt werden diese Leute noch mehr über uns herziehen.«
Unglaublich. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Deshalb nickte ich nur und trat zur Terrassentür. »Ginge es hier nicht um Hope, könntest du einem glatt leidtun«, sagte ich und verschwand in den Garten hinaus.
Ich setzte mich auf die Schaukel und starrte auf die üppigen Rhododendronbüsche zu meiner Linken. Eine Hummel schwebte summend zwischen den Blüten herum. Emsigkeit lag wohl in ihrer Natur. Ich seufzte. Der Tag hatte mir meine ganzeKraft abverlangt. Wie auf einer Achterbahn war ich in Höhen und Tiefen geschleudert worden, ständig darum bemüht, das Gleichgewicht zu halten. Doch was halfen die Höhen, wenn man kurz darauf schon wieder nach unten gerissen wurde und dort aussteigen musste?
»Willst du auch mal, Mia?«
Ich drehte den Kopf in Franks Richtung und blickte einem ausgesprochen verbeulten Metallkonstrukt entgegen, dessen Motor immer noch bemerkenswert ruhig und gleichmäßig schnurrte.
Ohne zu antworten, widmete ich mich wieder den Rhododendronbüschen.
Frank ließ die Hand mit Airking sinken. »Iason wollte sich bei dir entschuldigen.«
»Das hat er«, sagte ich leise.
»Aber warum bist du dann so fertig?«
»Weil … weil …« Erst eine Kopfbewegung schüttelte die Worte aus mir heraus. »Mir ist das alles zu viel.«
Ich bremste mit dem Fuß ab und kickte einen
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