Sternenschimmer
bringe, aber der Mann ist unser Lehrer!«
»Jetzt sei nicht so rassistisch. Er möchte halt gern mitmachen.«
Dass Lena unseren Englischlehrer beim Vornamen nannte, hielt ich für äußerst bedenklich. Aber die Tatsache, dass er vonder geplanten Aktion wusste und sich auch noch daran beteiligte, fand ich geradezu gefährlich.
»Er will uns helfen.« Mit verheißungsvollem Grinsen beugte sie sich zu mir vor. »Er hat ’ne Nachtsichtkamera, neuestes Modell.«
Ich dachte an mein altes Gerät, dessen Akku spätestens nach einer halben Stunde den Geist aufgab. Geschlagen senkte ich die Schultern.
»Also. Wir treffen uns am besagten Freitag um acht Uhr bei dir, Mia«, sagte Lena. »Der Transport kam bisher nie vor halb zehn. Wir sollten unsere dunklen Kapuzenjacken tragen. Das letzte Mal hat Lasertantchen Verdacht geschöpft, weil auf den Kameraaufnahmen von uns an meiner grünen Windjacke lila Haarfärbemittel war. Weiler darf uns auf keinen Fall erkennen.«
Ich ballte die Faust und streckte den Arm aus. »Abgemacht.«
Lena und Barbara stießen mit ihren Fäusten dagegen, als Mr O’Brian die Strandbar betrat.
Lena winkte ihm über die vielen Köpfe hinweg zu.
»Hallo, ihr drei.« Er sah einmal in die Runde. Ich achtete genau darauf, wie er Lena begrüßte, konnte aber kein besonderes Verhalten meiner Freundin gegenüber feststellen. Das machte mich ärgerlich und erleichtert zugleich. Nichts wünschte ich Lena mehr, als dass sie glücklich war, ehrlich, aber sie hatte leider ein Talent, dass ihr Glück meist eine ganze Verkettung von Schwierigkeiten nach sich zog.
Als Mr O’Brians Blick bei mir angelangt war, schien er sofort meine Skepsis zu bemerken. »Keine Sorge«, sagte er zwinkernd. »Ich bin kein Spion.«
Am liebsten hätte ich ihm geantwortet, dass ihm so eine Sauerei auch nicht gut bekommen würde. Aber schließlich wollte ich meine zwölf Punkte in Englisch behalten.
Lena weihte ihn in unsere Pläne ein. Als sie ihn bis ins kleinsteDetail informiert hatte, schlug er vor, die Aktion mit seinem Flugschiff durchzuführen.
»Das wäre ja so was von super.« Lena zappelte auf ihrem Stuhl herum. »So fallen wir viel weniger auf, als wenn wir mit den Öffentlichen fahren.«
»Klingt gut«, räumte ich ein. Tom O’Brian schien es wirklich ernst zu meinen. Das beruhigte mich ein bisschen. Trotzdem war sein Verhalten absolut nicht lehrerlike. Nachdenklich kaute ich auf meiner Unterlippe. Je länger ich versuchte, sein Verhalten zu analysieren, desto weniger schmeckte es mir.
»Okay«, schloss ich die kleine Versammlung. »Es ist Viertel vor vier. Wir müssen zur Arbeit.«
»Oje, schon so spät?« Lena sprang auf.
»Soll ich euch fahren?«, bot Mr O’Brian sich an.
»Gern.« Aus Lenas Augen sprühten geradezu die Herzchen.
»Nein, nein«, griff ich entschlossen ein. »Ich glaube, dass es nicht so günstig ist, wenn uns irgendwer gemeinsam sieht. Wir beeilen uns einfach, dann schaffen wir es noch.«
Mr O’Brian nickte. »Du hast recht, Mia. Wie gut, dass ich so umsichtige Schülerinnen habe.« Er zwinkerte mir erneut zu.
Lena und ich verließen zügig die Strandbar. Hastig eilten wir zur nächsten Haltestelle.
»Wie gut, dass ich so umsichtige Schüler habe«, äffte Lena Mr O’Brians Stimme nach. »Ist dir klar, dass mich deine scheiß Umsicht gerade wertvolle Minuten mit Tom gekostet hat? Ey, Mia. Deine Moralapostel-Tour geht mir langsam auf die Nerven!«
Lena schimpfte und meckerte. Eigentlich mochte ich es gar nicht, wenn wir stritten. Aber heute passte es mir ganz gut, denn es ersparte mir weitere Fragen über mein Treffen mit Iason, dessen Details ich erst einmal für mich behalten wollte. Also ließ ich ihrer Strafpredigt freien Lauf und schüttete sogar jedes Mal, wenn sie sich zu beruhigen begann, mit spitzen Bemerkungen Öl ins Feuer.
»Sorry, Lena«, sagte ich erst, als wir uns ihrer Haltestelle näherten.
Lena atmete tief ein und dann wieder aus. Sie mochte es genauso wenig, wenn wir uns in der Wolle hatten. »Prüde Kuh«, neckte sie mich liebevoll und drückte mir zum Abschied einen Kuss auf die Wange.
»Verknallte Irre«, schmeichelte ich zurück.
Als sie ausgestiegen war, winkte ich ihr zu, ehe das Schiff weiterfuhr.
Im Tulpenweg angekommen, erkannte ich schon von Weitem, wie Frank mit Luna und Silas im Garten an einem undefinierbaren Flugobjekt bastelte. Silas nahm es gerade und stieß es nach oben, während Luna die Aufgabe zuteilwurde, das taumelnde Stück mit einer
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