Sternenschimmer
Ich kam einfach nicht gegen ein Frösteln an, als ich ihn so sah. Wie konnte man Kälte nur mögen?
Das Shanjas schimmerte über dem Schlüsselbein auf seiner karamellfarbenen Haut.
»Was?«, fragte er.
»Heute mit freiliegendem Hals?«
»Jetzt, da du sowieso weißt, was darunter ist, habe ich nichts mehr vor dir zu verbergen.«
»Außerdem scheint hier die Sonne nicht.«
»So ist es. – Möchtest du?« Umhüllt von blauem Schimmer hielt er die Jacke auf und trat auf mich zu. Als er vor mir stehen blieb, trafen sich unsere Atemwölkchen. Wie gebannt stand ich da, als ihre Verbindung auch meinen Atem glitzern ließ. Er legte den wärmenden Stoff um meine Schultern und ich schlüpfte in die Ärmel.
Kleider zu ordnen, konnte eine recht komplizierte Aufgabe sein, wenn man gleichzeitig damit beschäftigt war, den Puls in die Schranken zu weisen. Ich fummelte nicht sehr effektiv am Reißverschluss seiner Jacke herum, bis Iason sich der Sache um einiges geschickter annahm.
»Ich führ also ab jetzt ein Leben mit Auffangnetz«, sagte ich, um die etwas peinliche Situation mit einem Gespräch zu retten.
Iason zog den Reißverschluss zu. »Wer weiß, wie oft du es brauchen wirst.«
»Wie soll das gehen? Ich meine, dass du zur richtigen Zeit am richtigen Ort bist?«
»Intuition, Impulse, die mich leiten, nenn es, wie du willst.«
Ich zog mich an der Bande hoch und setzte mich darauf. »Trotzdem, ich verstehe es nicht. Und außerdem finde ich die Vorstellung irgendwie unheimlich.«
»Weshalb?« Iason schwang sich neben mich.
»Ich will keinen Wächter, ich möchte mit dir befreundet sein. Ganz normal, verstehst du?«
»Niemand ist normal«, entgegnete er. »Und wir sind es eben auf diese Weise nicht.«
»Aber so entsteht irgendwie ein Ungleichgewicht. Ich fühle mich dadurch nicht mehr richtig … ich selbst.«
»Dann blende es doch einfach aus.«
Betreten grub ich die Hände in meine Oberschenkel. »Das ist schwer, wenn ich weiß, dass du nur wegen irgendeiner Bestimmung mit mir zusammen bist.«
Ich hatte ganz leise gesprochen und doch war es, als hätten ihm meine Worte einen Stromschlag versetzt. Seine Schultern spannten sich an und zu meiner wachsenden Unruhe sagte er ein paar Sekunden lang nichts.
»Wofür hältst du mich eigentlich?« Die Entrüstung gab seiner Stimme einen barschen Klang. Dann lehnte er sich ein Stück von mir fort, um in mein Gesicht zu schauen. Doch weil er mit hundertprozentiger Sicherheit eine Menge darin fand, was ichgern vor ihm verborgen gehalten hätte, aber keinesfalls, dass ich ihn für schlecht oder etwas in der Art hielt, wurde seine Stimme auch schon wieder weicher. »Ich bin hier … mit dir, weil ich es will.« Seine Augen suchten eine Antwort, ein Zeichen, dass ich ihm glaubte. Doch dann veränderte sich sein Blick.
»Mia«, seine Stimme klang warm und etwas rau.
Ich sah ihn einfach nur an.
»Ich weiß, es ist unlogisch und rational nicht erklärbar, aber …« Er schluckte. »Ich hatte bisher noch nie so sehr das Verlangen, jemanden zu berühren, wie ich dich berühren möchte.«
»Dann tu es«, schlug ich mit einem letzten bisschen Stimme vor.
»Ist es dir auch nicht unangenehm?«
Wie kam er denn auf so einen absurden Gedanken?
»Nun, du willst mich nicht als Wächter«, beantwortete er die Frage, die er in meinem Gesicht las, »du bist extrem eigensinnig«, bei dieser Bemerkung lachte er etwas bekümmert auf, »und du gibst mir immer wieder ziemlich klar zu verstehen, wie sehr du deine Freiheit liebst.«
»Gut erkannt«, sagte ich und legte meinen Kopf an seine Schulter.
Das verstörte ihn. »Und manchmal stehen deine Worte auch nicht im Einklang mit dem, was du tust.« Er äugte zu mir hin.
»Auch gut erkannt.« Ich kuschelte mich noch ein bisschen näher an ihn heran.
»Ist das irdisch oder einfach nur Mia?«, fragte er leise.
»Hm.« Ich zuckte die Achseln.
Iason war anzumerken, wie schleierhaft ihm mein Verhalten schien, aber am Ende beschloss ausnahmsweise er einmal, das Ganze einfach so stehen zu lassen. Lächelnd legte er den Arm um mich.
Erstmals seit Langem spürte ich, wie es zart in meiner Nase kribbelte.
Gemeinsam tauchten wir ein, in die Stille, den Geruch der Kälte und unsere kleinen Atemwölkchen, die sich verbanden und glitzernd in der Luft verloren.
Ich erinnerte mich, wie oft ich hier drinnen schon gebibbert hatte, aber diesmal war mir ganz warm …
20
F inn und Luna kamen viel zu früh. Das heißt, eigentlich kamen sie
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