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Sternenschimmer

Sternenschimmer

Titel: Sternenschimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Winter
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das Buch, in dem das stand?« Wieder sah ich zu meinem Ellenbogen.
    » Über den Umgang mit Menschen . Der Autor nennt sich Freiherr von Knigge«, erinnerte er sich.
    Ich biss mir in die Faust, um nicht loszuprusten.
    »Was ist so komisch daran?«
    »Jetzt wird mir so einiges klar.«
    »Und was, wenn ich fragen darf?« Seine Stimme klang ein bisschen zu hart, um Gelassenheit vorzutäuschen.
    »Deine Wortwahl, die Art und Weise, wie du deine Serviette benutzt, und auch die Hand an meinem Ellenbogen«, zählte ich nur ein paar seiner Verhaltensweisen auf. »Das ist total veraltet. Keiner, den ich kenne, benimmt sich noch so.«
    Iason verstand und schmunzelte. »Nun, dem einen oder anderen könnte es nicht schaden, auch mal einen Blick in dieses Buch zu werfen.«
    Ich steckte einen Finger in den offenen Mund und mimte demonstrativ ein Würgen.
    Er lachte und ich fiel mit ein.
    »Kann es sein, dass Finn noch nie einen Blick in den Knigge geworfen hat?«, fragte ich.
    »Nein, er fand die Biografie von Ozzy Osbourne spannender.«
    »Ozzy Osbourne? Wer ist denn das?«
    »Irgend so ein irdischer Sänger aus dem 20. Jahrhundert.«
    »Ist mir kein Begriff. Meine Ururgroßeltern standen wohl nicht auf ihn. Oder sie haben ihn nicht mehr gekannt.«
    »Vielleicht waren sie aber auch einfach mehr der Knigge-Typ«, gab er zu bedenken.
    Ich blieb stehen. »Die Vorfahren meiner Eltern? Das kann nicht sein.«
    Vom Schein einer Laterne beleuchtet mussten wir wieder lachen. Anschließend setzten wir unseren Weg fort, aus dem Park heraus, an einem Computergeschäft vorbei und eine von Pappeln gesäumte Straße entlang. Aus den flachen Häusern wurden immer höhere Gebäude.
    Wir hatten die mit Chromimitat verkleidete Eissporthalle beinahe erreicht. Sie lag da wie ein überdimensionales Dinosaurierei, fast völlig im Dunkeln, nur eine Laterne beschien den roten Eingang.
    Als wir da waren, drückte ich den Türöffner. Aber es geschah nichts.
    »Da ist niemand mehr«, stellte ich fest.
    »So soll es sein. Wir haben die Halle schließlich gemietet.«
    »Die ganze Halle?«
    Iason zog einen Schlüssel aus der Jackentasche. »Finn und ich haben jeder ein paar Steine aus Loduun mitgebracht, manche Läden und insbesondere die Juweliere stürzen sich nur so darauf.«
    Er öffnete die Tür, machte eine höfliche Geste und folgte mir in den Vorraum. Eine Notbeleuchtung tauchte uns in dämmriges Grau.
    »Und da verpulverst du das ganze Geld für die Eissporthalle? Du könntest ruhig Tanja was davon abgeben.«
    »Das haben wir doch schon längst getan«, antwortete er gelassen, während er die Zwischentür zur Halle aufschloss. »Der Tulpenweg ist für die nächsten zwanzig Jahre abgesichert.«
    Da denkt man, es mit einem armen Asylanten zu tun zu haben, und in Wirklichkeit ist er steinreich. Iason verblüffte mich immer wieder aufs Neue.
    Wir traten ein und ich tastete die Wand ab.
    »Was machst du da?«, fragte er.
    »Ich suche den Lichtschalter.«
    »Wer braucht denn einen Lichtschalter?«
    Ich sah zu ihm hin, was nicht schwer war, denn ich musste nur das blaue Leuchten in der Dunkelheit ausmachen. »Wie, bitte schön, machst du denn immer das Licht an?«
    »Na, so.«
    Im nächsten Moment sprang die Flutlichtanlage an.
    Vor Schreck machte ich einen Satz zurück.
    Er lachte. »Entschuldige. Hätte ich dich vorwarnen sollen?«
    Mein Staunen ließ mir keine Gelegenheit zum Antworten. Ich war schon einige Male hier gewesen, aber immer nur, wenn die Halle überfüllt war. Als eine unter vielen hatte ich mich dann über das Eis gemüht oder durch die Menge gezwängt, um mit Glück einen der freien Plätze hinter der Bande zu ergattern. Die aneinandergereihten Sitze, die ich bisher nur mit Gepäck und Jacken beladen kannte, glänzten nun frei und sauber in leuchtendem Blau, während das Eis in der Mitte frisch geglättet im Licht der Scheinwerfer blitzte. Jetzt, wo wir allein hier standen, fiel mir erst auf, wie groß die Halle eigentlich war. Die gleißenden Scheinwerfer verstärkten diese Wirkung nur und der Geruch von Kälte ließ die Stille noch stiller wirken. Eine Weile standen wir einfach nur da und genossen die Ruhe, die uns umgab. – Bis Iason meine Tasche nahm und hinter die Bande trat, um sie dort abzulegen. Unnatürlich und fremd hallten seine Schritte auf dem Boden wider. Dann zog er seine Jacke aus. Wahrscheinlich hatte er sie sowieso nur mitgenommen, für den Fall, dass mir hier kalt würde. Er selbst stand nämlich jetzt im T-Shirt da.

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