Sternenschweif 16 - Geheimnisvoller Zaubertrank
zu. Es war spät geworden. Sie mussten sich beeilen, um rechtzeitig zu Hause zu sein. Die dunkelrote Abendsonne war bereits am Horizont verschwunden.
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Kaum waren sie außer Hörweite, platzte Laura heraus: „Ach, Sternenschweif, ich habe so ein schlechtes Gewissen, dass ich Kareen das falsche Fläschchen gegeben habe. Wie konnte das nur passieren? Irgendwie bin ich einfach mit den Gedanken immer woanders. Mit den Veränderungen bei uns daheim geht mir eben ständig so viel im Kopf herum. Da bin ich offensichtlich mit meinen Aufgaben als Hüterin einfach überfordert. Und dann passieren in der Eile Fehler wie dieser. Aber ich hätte Kareen unmöglich die Wahrheit sagen können. Sie wäre so enttäuscht gewesen.“
Sternenschweif schnaubte und stupste Laura aufmunternd am Bein. Schweigend ritten sie nach Hause.
Im Stall nahm Laura Sternenschweif Sattel und Zaumzeug ab. Sie streute frisches Stroh in seine Box und gab ihm sein Futter. Dann drückte sie ihn noch einmal fest an sich und lief ins Haus.
Nach dem Abendessen versuchte Laura, noch ein bisschen in ihrem neuen Buch zu lesen. Aber sie konnte sich nicht konzentrieren. Dauernd sah sie die arme Kareen vor sich, wie sie aus dem Fläschchen trank und dennoch nicht mehr Mut hatte. Sie musste morgen unbedingt zu ihr und ihr die Wahrheit sagen. Wenn sie ihr erklärte, wie alles zustande gekommen war, würde sie vielleicht Verständnis zeigen. Laura würde ihr das richtige Fläschchen geben, und Kareen könnte es noch einmal versuchen. Falls sie dann überhaupt noch wollte.
Nach einer unruhigen Nacht wachte Laura am nächsten Morgen früh auf. Sie zog sich rasch an und ging zu Sternenschweif in den Stall.
„Ich hoffe, du hast besser geschlafen als ich“, begrüßte sie ihn mit einem Gähnen. „Die Sache mit dem falschen Fläschchen hat mir keine Ruhe gelassen. Dauernd musste ich an die arme Kareen denken. Lass uns gleich nachher zu ihr reiten. Dann bringe ich ihr den richtigen Mutmach-Trank und erkläre ihr alles. Ich hoffe, dass sie mir meinen Fehler nicht übel nimmt und es noch einmal probieren will.“
Sternenschweif stupste sie mit einem lauten Schnauben in den Bauch, als wollte er sagen: „Es wird schon alles gut.“
Laura spürte ein Gefühl der Wärme in sich aufsteigen. Es war so schön, dass Sternenschweif sie immer verstand. Er hielt zu ihr, egal, welche Fehler sie auch gemacht hatte. Für Laura gab es einfach keinen besseren Freund als ihn.
Als sie ins Haus kam, klapperte ihre Mutter bereits mit dem Geschirr.
„Du bist heute aber zeitig auf“, bemerkte sie erstaunt. „Hast du schlecht geschlafen?“
„Irgendwie bin ich früh aufgewacht“, antwortete Laura ausweichend. „Aber das trifft sich gut. Ich will nachher sowieso mit Sternenschweif ausreiten. Da können wir uns dann ein bisschen länger Zeit lassen.“
Gleich nach dem Frühstück ritt Laura mit Sternenschweif los. Sie hatte sich mindestens dreimal versichert, dass sie diesmal auch das richtige Fläschchen eingesteckt hatte. Eindeutig war darauf das Wort „Mut“ zu erkennen.
Je näher sie Kareens Zuhause kamen, desto mulmiger wurde Laura zumute. Wahrscheinlich würde sie eine völlig aufgelöste Kareen antreffen. Wenn Laura ihr dann auch noch sagen musste, dass sie die ganze Zeit aus dem falschen Fläschchen getrunken hatte, würde ihr das bestimmt den Rest geben. Laura fühlte sich wirklich miserabel.
Doch als das Farmhaus mit der angrenzenden Koppel schließlich in Sicht kam, traute Laura ihren Augen kaum. Träumte sie? Da galoppierten doch tatsächlich Kareen und Glitzermond über die Koppel! Wie war das denn möglich?
Nun hatten die beiden Laura und Sternenschweif entdeckt und ritten ihnen entgegen.
„Laura, es hat funktioniert!“, rief Kareen. „Es hat tatsächlich funktioniert!“ Sie hatte vor Aufregung gerötete Wangen und strahlte über das ganze Gesicht. Dann stieg sie ab, um für Laura das Gattertor zu öffnen. Kaum war Laura aus dem Sattel gerutscht, fiel Kareen ihr um den Hals.
„Das, was sich in dem Fläschchen befand, war tatsächlich ein Zaubertrank“, sprudelte sie hervor. „Ich habe gleich den ersten Schluck genommen, als du weg warst. Dann habe ich mich nachts heimlich zu Glitzermond geschlichen, und siehe da! Obwohl mir schon noch ein bisschen mulmig war, habe ich dennoch den Mut aufgebracht, um aufzusitzen. Und kaum sind wir die ersten Meter gemeinsam getrabt, war alles wie früher. Ich fühle mich wieder ganz sicher im Sattel. Ist das nicht
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