Sternenschweif 22 - Im Land der Einhoerner
Englischdiktat und den Geschichtstest hatte Laura während ihres Ausflugs fast vergessen. Wenn sie diese drei Prüfungen nur erst hinter sich hätten! Danach wartete die große Freiheit: Noch eine weitere Woche Schule ohne Tests, dann fingen die Sommerferien an! Aber vorher – Laura seufzte –, vorher hieß es lernen, lernen und nochmals lernen. Das hatten sie ihren Eltern versprochen: Nach dem gemeinsamen Ausritt mussten sie und ihre Freundinnen sich gemeinsam auf ihre Arbeiten vorbereiten.
Tröstend strich sie Sternenschweif über das warme Fell. „Tut mir leid, Sternenschweif. Sieht so aus, als müsste ich dich für ein paar Stunden mit deinen Ponyfreunden allein lassen.“ Trübsinnig begann sie, ihr Pony abzusatteln.
„Das ist ungerecht, an einem so sonnigen Samstag im Haus eingesperrt zu sein, um für die Schule zu büffeln“, meinte Mel und verzog das Gesicht.
„Lasst uns zuerst die Ponys abreiben und bürsten“, schlug Jessica vor. „Sandy ist ganz verschwitzt von unserem Galopp! Schließlich soll sie sich nicht erkälten.“
Sternenschweif hatte der kleine Galopp nicht so viel ausgemacht, dennoch war Laura ihrer Freundin sehr dankbar für diesen Vorschlag. So hatte sie noch etwas Zeit mit ihrem Pony. Rasch hievte sie den Sattel auf die Lehne einer kleinen weißen Bank, die zwischen zwei Blumenkübeln vor dem Wohnhaus der Familie Parker stand, dann führte sie Sternenschweif an einen schattigen Platz unter einem Baum. Jessica hatte inzwischen aus der Sattelkammer das Putzzeug geholt und trocknete bereits Sandys weiches braunes Fell.
Laura genoss diese Minuten, die ihr noch mit ihrem Pony blieben, bevor sie sich mit ihren Schulaufgaben beschäftigen musste. Sie rieb Sternenschweif gründlich ab und merkte, wie gern er das hatte. Liebevoll legte er ihr seine samtweiche Nase auf die Schulter. Laura griff zu einer Bürste und machte sich daran, sein graues Fell zu striegeln.
Als Laura Sternenschweif das erste Mal gesehen hatte, war sein Fell ganz stumpf und glanzlos gewesen. Seine Vorbesitzerin Jade hatte sich gar nicht mehr um ihn gekümmert. Es war ihr einfach egal gewesen, dass das kleine Pony ganz verwahrlost ausgesehen hatte.
Laura hatte sich trotzdem sofort in Sternenschweif verliebt. Obwohl ihre Eltern ihr auch ein anderes, hübscheres Pony geschenkt hätten. Aber Laura hatte gleich gespürt, dass Sternenschweif ein besonderes Pony war. Wie besonders, das hatte sie allerdings nicht zu träumen gewagt: Denn Sternenschweif war eigentlich ein verzaubertes Einhorn! Seitdem sie sein großes Geheimnis entdeckt hatte, sagte sie nun beinahe jeden Abend den Zauberspruch auf, der ihn in ein schneeweißes Einhorn verwandelte. Dann sprangen sie gemeinsam über die Wipfel der höchsten Bäume des Waldes! Sternenschweif liebte es, mit Anlauf darüber hinwegzufliegen, und Laura konnte gar nicht genug davon bekommen, mit ihrem Einhorn durch die Nacht zu reiten.
„Und heute Abend haben wir etwas ganz Besonderes vor“, flüsterte Laura Sternenschweif ins Ohr, sodass es weder Mel noch Jessica hören konnten.
Fast jede Nacht erlebten Laura und Sternenschweif großartige Abenteuer, insbesondere seitdem Laura Hüterin der Einhorngeheimnisse war. Dass sie dazu auserwählt wurde, war eine große Auszeichnung. Aber damit trug Laura auch viel Verantwortung, denn sie musste anderen Einhornfreunden dabei helfen, wenn diese Probleme mit ihren Einhörnern hatten. Und manchmal war es gar nicht leicht, eine gute Lösung zu finden, ohne zu viel von der Einhornmagie zu verraten.
„Ich glaube, wir sind im vergangenen Jahr aber schon ganz schön gut geworden“, sagte Laura leise. Sternenschweif nickte zustimmend. Auch in der Ponygestalt verstand er jedes ihrer Worte.
„Meinst du beim Galoppieren oder beim Springen?“, wollte da Mel plötzlich wissen.
Laura biss sich auf die Lippen. Das hätte nicht passieren dürfen! Wie leicht hätte Mel etwas über das Einhorngeheimnis erfahren können. Denn niemand außer den Freunden, die selbst ein Einhorn hatten, durfte davon wissen. Und oft fiel es Laura ganz schön schwer, ihren beiden besten Freundinnen nicht die ganze Wahrheit über Sternenschweif sagen zu dürfen!
„Ähm“, stotterte sie. „Beides. Ich meine, ich hoffe, dass wir besser geworden sind. Schließlich zieht uns Jade immer noch manchmal damit auf, wie toll sie mit ihrem neuen Pferd springen kann.“
„Vergiss doch Jade. So gut wie die seid ihr beide schon lange“, meinte Jessica
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