Sternenschweif 22 - Im Land der Einhoerner
die Gäste bald kommen. Aber ich wollte unbedingt zu dir, nachdem ich die letzten Tage sowieso so wenig Zeit hatte.“
Sternenschweif nickte heftig. Auch er schien zu bedauern, dass sie sich nicht häufiger gesehen hatten.
„Komm noch ein bisschen weiter unter die Bäume“, bat Laura. „Dann sind wir besser vor fremden Blicken geschützt.“
Sie begab sich mit Sternenschweif in den Schutz der Zweige und murmelte die magischen Verse des Verwandlungszaubers:
Silberstern, Silberstern,
hoch am Himmel, bist so fern.
Funkelst hell und voller Macht,
brichst den Bann noch heute Nacht.
Lass dies Pony grau und klein
endlich doch ein Einhorn sein.
Kaum war das letzte Wort verklungen, zuckte ein violetter Blitz durch die Dämmerung und aus Sternenschweif war ein strahlend schönes Einhorn geworden. Sein silbernes Horn leuchtete und sein seidiges Fell glänzte wie der Abendstern, der funkelnd am Himmel aufging.
„Hallo, Laura“, sagte Sternenschweif und legte zur Begrüßung seine samtweichen Nüstern an ihre Wange. „Wie schön, dass du noch kommst.“
„Du kannst mir glauben, dass ich tausendmal lieber meine Zeit mit dir verbracht hätte, als mit meiner Mutter den Tisch zu decken oder stundenlang Salat zu putzen.“
„Das klingt richtig nach Arbeit“, meinte Sternenschweif mitfühlend. „Mir scheint, ein bisschen Abwechslung würde dir guttun. Wie wäre es mit einer kleinen Runde in der Luft? Es ist schon fast dunkel.“
Laura war hin und her gerissen. „Du weißt, dass es für mich nichts Schöneres gibt, aber ich müsste eigentlich bald schon wieder im Haus sein.“
„Ach komm, nur eine kleine Runde“, bettelte Sternenschweif. „Du wirst sicher noch rechtzeitig kommen.“
Laura zögerte und warf einen Blick auf die Uhr. In einer Viertelstunde sollte sie spätestens zurück sein. Aber immerhin wäre eine Viertelstunde besser als nichts.
„Also gut“, stimmte sie kurzerhand zu. „Wir haben zwar nicht viel Zeit, aber dafür werden wir jede Minute genießen.“
„Worauf du wetten kannst“, antwortete Sternenschweif und Laura konnte das Lächeln in seiner Stimme hören.
Sie schwang sich auf seinen Rücken und Sternenschweif drückte sich mit den Hinterbeinen kräftig ab. Mit weit ausholenden Sprüngen galoppierte er zwischen den Bäumen hinauf Richtung Himmel. Er hielt sich dicht über den Baumspitzen, damit sie nicht entdeckt wurden, denn ein Einhorn durfte sich nur Einhornfreunden in seiner wahren Gestalt zeigen.
Sternenschweif galoppierte im Slalomdurch die Bäume und nahm die Kurven immer enger. Schließlich drehte er ab und sprang mit ein paar Riesensätzen auf die große Eiche zu, die alle anderen Bäume überragte. Er nahm Anlauf, wurde schneller und schneller und setzte schließlich mit einem gewaltigen Sprung darüber hinweg. Laura beugte sich weit nach vorn, umschlang Sternenschweifs Hals und jauchzte. Sie spürte die Wärme seines Körpers unter sich, während über ihr glitzernd die Sterne aufgingen – was konnte es Schöneres geben?
Sternenschweif flog Runde um Runde. Ebenso wie Laura schien er nicht genug zu bekommen. Als er das Tempo für eine kurze Verschnaufpause etwas drosselte, schaute Laura auf die Uhr.
„Oje, es ist schon spät“, rief sie erschrocken. „Ich müsste längst zu Hause sein. Lass uns umkehren.“
„In Ordnung“, antwortete Sternenschweif und machte sich auf den Rückweg Richtung Koppel. Doch als sie sich der Farm näherten, nahm Laura eine Bewegung neben dem Stall wahr. War dort jemand? Ja, tatsächlich, Laura erkannte eine Person, die sich auf die Baumgruppe am Rand der Koppel zubewegte. Ihr stockte der Atem. Es war Mel!
2
„Sternenschweif, sieh mal da unten, das ist Mel!“, flüsterte Laura aufgeregt. „Was machen wir denn jetzt?“
„Ich weiß auch nicht“, antwortete Sternenschweif ratlos. Laura spürte, dass auch er beunruhigt war. Er wurde langsamer und beide starrten sie nach unten zu der Gestalt.
Doch plötzlich geschah etwas Merkwürdiges. Lauras Körper wurde von einem Kribbeln erfasst, als ob lauter Ameisen an ihr hochkrabbelten. Und dann bemerkte sie, dass ein Leuchten sie umgab. Aber nicht nur sie, auch Sternenschweif leuchtete! Mit einem Mal war das Leuchten jedoch wieder verschwunden und Laura blickte nur noch ins Dunkle. Sie selbst war auch dunkel, nichts mehr von ihr war zu sehen, auch nicht von Sternenschweif. Und da begriff Laura – sie warenunsichtbar! „Sternenschweif, was ist das?“, flüsterte sie.
„Ich denke,
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