Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
Zombie«, flüsterte die Schwarzhaarige. »Nur viel schneller.«
Lilly war noch zu verblüfft, um ihr eine vernünftige Antwort zu geben, stattdessen bemerkte sie jetzt erst, dass Calista alles andere als passend gekleidet war. Hochhackige Schuhe, in denen ihre Füße mit Sicherheit schon blau angelaufen waren, und dünne Kleidung, in der sie selbst in der Wärme des Internats gefroren hätte. »Hast du keine Jacke? Was machst du überhaupt hier draußen in so einem Aufzug?«
Die Frage brachte das Mädchen offenbar in Verlegenheit. Beschämt senkte sie den Blick. »Sag das ja niemandem. Ich habe deinen Schrei gehört und sah, wie dich jemand verfolgte.«
»Willst du mir ernsthaft erzählen, dass du mir helfen wolltest?«
»Scheint so.« Sie wollte das Thema offensichtlich nicht weiter vertiefen, und Lilly beabsichtigte auch nicht weiter zu ergründen, wie viel Dank sie dem Mädchen tatsächlich schuldete. Nachher musste sie noch feststellen, dass sie nicht ganz so schrecklich war, wie sie sich gab, und dieser Tag hatte ihr bereits genug Überraschungen geboten.
»Das war sehr anständig von dir«, sagte sie schlicht.
»Und was hat es mir eingebracht?« Sie hob die Arme theatralisch über den Kopf. »Ich sitze mit einem Zombie im Wald, während irgendein Freak auf uns lauert.«
»So kannst du jedenfalls nicht weitergehen«, stellte Lilly fest, erleichtert, wieder einen Anflug der vertrauten Zicke in ihrem Gegenüber zu erkennen, und sah an sich hinab. Tatsächlich fiel ihr auf, dass sie die Kälte schon lange nicht mehr spürte. Kurz entschlossen zog sie ihren Mantel aus und musterte ihn traurig. Sie würde ihn niemals wieder anziehen können – bei ihrem Sturz hatten Äste und Steine Löcher in ihn gerissen –, nun war er ruiniert. »Zieh ihn an. Er wird dich etwas wärmen.« Sie warf ihn dem Mädchen zu, dann setzte sie sich in den Schnee und schnürte ihre Stiefel auf. »Wir haben ungefähr die gleiche Schuhgröße.«
»Bist du verrückt? Du kannst doch nicht barfuß laufen.«
»Schon vergessen, ich bin ein Zombie.« Lilly verdrehte die Augen. »Nun nimm.«
Widerstrebend zog Calista sich den Mantel über und nahm die Stiefel entgegen. »Du wirst mir wohl nicht verraten, was du bist.«
»Später vielleicht.« Lilly stand auf und vergrub ihre nackten Zehen im Schnee. Es fühlte sich seltsam an, kitzelte etwas, und sie spürte, wie das Blut schneller zirkulierte, nur fror sie nicht oder empfand Schmerzen. »Je schneller wir am Ziel sind, desto schneller bekommst du ein paar Antworten.« Und jede Menge Probleme.
Calista lehnte sich an einen Baumstamm, während sie die Schuhe wechselte und anschließend anklagend ihre Stöckelschuhe in die Luft hielt. »Das waren meine letzten Manolos. Du weißt, was das bedeutet.«
»Dass du in Zukunft ein anderes Paar anziehen musst?«
Zu ihrem Entsetzen bemerkte Lilly, dass trotz der Wut, die in dem Gesicht des Mädchens aufblitzte, ihre Augen feucht schimmerten. Die wird doch nicht wegen eines dämlichen Paars Schuhe anfangen zu heulen, dachte sie entgeistert.
»Das waren meine letzten Designerschuhe«, flüsterte sie. »Du weißt, dass ich mir keine mehr leisten kann. Wenn ich plötzlich dieselben Treter wie du trage, wissen alle gleich, was los ist.«
Lilly überging die darin liegende Beleidigung, vor allem da sie recht hatte. Für Schuhe hatte sie nie viel übriggehabt – im Gegensatz zu ihrer Mutter. »Wäre das so schlimm? Geld ist nicht alles.«
»Das kann auch nur jemand sagen, der nie welches hatte.«
»Mag sein.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber jetzt beeil dich. Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.« Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, blickte Lilly zum Himmel empor, um die Zeit abzuschätzen. Voller Schrecken wurde ihr bewusst, wie wahr ihre Aussage doch war. Sobald es hell wurde, würde sich ihr Verstand umnachten. Sie erinnerte sich an die Zeit, als sie von der Sternenbestie besessen war, dachte voller Grauen an die nächtlichen Kämpfe um ihre Seele. Würde es wieder so werden? Sie biss sich auf die Unterlippe und beschloss, Lea um einige von ihren Schlaftabletten zu bitten. Lieber verschlief sie den ganzen Tag, als sich dem noch einmal auszusetzen.
Calista warf mit einem letzten bedauernden Blick ihre Manolos in einen Busch und stapfte testweise mit den Stiefeln auf. »Ich bin bereit.«
Die Orientierung fiel Lilly nun viel leichter als früher. Sie kannte den Wald ohnehin durch ihre Streifzüge mit Raphael, aber durch das stetige
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