Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
ein Messer in meinen Händen und dein aufreizender Körper, deine verführerischen Lippen sind Vergangenheit. O ja, für die Medien wirst du das gefundene Fressen sein. Sie werden sich auf dich stürzen. Aber willst du das dann noch? Willst du der entstellte Freak sein? Eine von denen, über die du jetzt immer lachst? Nein.« Er schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zurück. »Du wirst kein Wort sagen.« Zu Ras gewandt fügte er hinzu: »Ich habe keine weiteren Bedenken.«
»Dann ist das entschieden.« Er sah Calista an. »Alles, was du heute gesehen hast, alles, was du noch hören oder erleben wirst, bleibt ein Geheimnis. Du kennst nun die Konsequenzen für einen Verstoß gegen die Regeln.«
»Ja, aber …«
»Kein Aber«, donnerte er sie an, so laut, dass ein Fuchs erschrocken unter einem Busch hervorkroch und das Weite suchte.
Das Mädchen zuckte zusammen, schien vor Lillys Augen zu schrumpfen. »Ja«, sagte sie leise.
»Gut. Anni, ich möchte, dass du ihr das Wichtigste erklärst, während du sie zur Schule zurückbringst. Die Probleme mit Lilly sollen sich nicht wiederholen. Wir können kein Menschenmädchen brauchen, das uns heimlich hinterherspioniert.« Mit der Selbstsicherheit eines erfahrenen Anführers gab er weitere Anweisungen. »Lea, Torge, bringt Lilly in euer Zimmer und sorgt dafür, dass sie sich hinlegt. Sie braucht Ruhe, um all das zu verarbeiten. Fynn, kümmere dich bitte um deine Jäger. In zwei Stunden treffen wir uns, um alles Weitere zu besprechen.«
Raphael wartete, bis Ras geendet hatte, bevor er mit einem letzten Blick zu Lilly im Wald verschwand. Er wirkte gebrochen und von tiefer Verzweiflung ergriffen, und sie erfasste das Gefühl, dass er sie aufgegeben hatte. »Er muss nur den Kopf freibekommen. Er kommt wieder«, sagte Lea, die gespürt hatte, wie sie sich verkrampfte.
Lilly sah zu der Stelle hinüber, an der Mikael gestanden hatte, doch da war niemand. Ihr Zwillingsstern hatte sie wortlos verlassen.
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† D u nimmst das ziemlich gelassen auf«, stellte Anni fest.
Calista zuckte mit den Schultern. »Was bleibt mir auch anderes übrig? Entweder ihr zieht hier eine total abgefahrene Show ab, oder du sagst die Wahrheit.« Sie deutete auf den Schnee, aus dem die dunklen Blutflecken, die von Annis Hand getropft waren, wie schwarze Löcher hervorstachen. Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte sie sich ein Messer durch den Handrücken gejagt. Alles nur, um ihre Fähigkeit zur Selbstheilung zu demonstrieren. Calista war noch immer übel von dem Anblick, nur ihr Stolz verbot es ihr zu zeigen, wie schockiert sie wirklich war. »Das war nicht nötig.«
»Das sagst du jetzt, aber morgen beim hellen Tageslicht werden dich Zweifel heimsuchen. Du wirst eine logische Erklärung suchen, den Drang verspüren, mit jemandem über deinen verrückten Traum zu sprechen. Das soll dich davon abhalten. Fynn lügt nicht, weißt du?« Sie sah sie mit ihren großen runden Augen an, in denen eine Weisheit lag, die so gar nicht zu ihrem herzförmigen Gesicht passen wollte. »Ich kenne Menschen wie ihn – er genießt es zu töten, und wenn er eine gute Ausrede hat, schreckt er vor nichts zurück.«
Daran zweifelte Calista nicht einen Augenblick. Sie hatte es in seinen kalten Augen gesehen. Darin lag derselbe Wahnsinn, den sie bei einem Geschäftspartner ihres Vaters gesehen hatte – genau in der Sekunde, in der er den Abzug betätigt hatte, um einer wunderschönen Löwin eine Kugel in den Leib zu jagen. Calista war kurz davor gewesen, ihm das Gewehr aus der Hand zu reißen und ihm den Kopf wegzuschießen, aber der strenge Blick ihres Vaters hatte sie in der Bewegung verharren lassen. Seine Tochter hatte sich zu fügen, hübsch auszusehen und den Mund zu halten, in welche Machenschaften auch immer er verwickelt war. »Ich bin gut darin, Dinge für mich zu behalten.« Geheimnisse. Worte. Abscheu. Traurigkeit. Alles verborgen in den Winkeln ihres Herzens.
Anni schob einen tief hängenden Zweig zur Seite und enthüllte dadurch das märchenhafte Bild der hoch oben auf einem Berg thronenden Festung, deren leuchtende Fenster und helle Scheinwerfer der Dunkelheit trotzten, wie die einsame Kerze im Fenster Wanderern den Weg wies. »Bald hast du es geschafft.« Sie zögerte einen Moment. »Es hat dir, glaube ich, noch niemand dafür gedankt, dass du Lilly geholfen hast. Das war sehr mutig von dir.«
Calista runzelte unwillig die Stirn. Lilly. Ihr hatte sie das ganze Theater zu verdanken. Wobei sie
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