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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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sich in den Spiegeln im Thronsaal. Khira sah erleichtert, daß es kein Anzeichen von Zerfall im Tal gab.
    Aber als der Luftwagen landete, standen die Menschen schweigsam, die sich in ihren glänzenden Festroben auf der Plaza versammelt hatten. Khira duckte sich tiefer in ihren Sitz; sie wollte ihnen nicht gegenübertreten.
    Stumme und beobachtende Augen; Khira konnte den Schatten, der drohend über den Menschen lag, nicht übersehen, als sie aus dem Luftwagen stieg. Sie fühlte sich unter den Blicken aus so vielen Augen unwirklich. Widerstrebend wählte sie sich Letra, die Webereibesitzerin, in einem Kleid, das in den Stickereien aus Jahrhunderten schimmerte, und sprach sie an. »Letra, geht es dir gut?«
    Die Webereibesitzerin neigte den Kopf, die hellen Augen musterten Khira, schätzten sie in jeder Einzelheit ab. »So gut wie immer, Tochter.«
    »Und meine Mutter ist gesund?« Wieder gelang es Khira, ihre Stimme nicht beben zu lassen.
    Erneut neigte die Webereibesitzerin den Kopf, ohne den Blick zu senken. »Gesund, aber einsam. Sie wartet im Thronsaal, um dich zu sehen. Wir alle warten, Tochter.«
    Und jetzt siehst du es. Siehst, daß ich nicht die Tochter bin, für die du mich hieltest. Siehst, daß mir das mangelt, wonach du fragst: Herz. »Ich werde zu ihr gehen«, antworteten Khiras Lippen und besiegelten die Abänderung ihres Entschlusses.
    Mit Dunkeljunge verließ sie das Schiff und überquerte die Plaza; sie war sich jedes einzelnen Zuschauers bewußt.
    Spürte Tiahna diese einschüchternde Einsamkeit jeden Frühjahr, wenn sie von ihrem Winterthron zurückkehrte? Das Gewicht so vieler Augen – Khira wollte sich verstecken. Die waren ihre Leute, und sie waren stark. Aber wenn der Thron leer stünde, könnte niemand von ihnen die Steine beherrschen und Wärme ins Tal bringen.
    Und sie vermochte es auch nicht. Wenn sie es in den Bergen nur geahnt hatte – jetzt wußte sie es. Als sie die Plaza überquerte, war nichts als Fleisch unter ihren Rippen, schmerzendes Fleisch. Sie drückte des Jungen Hand.
    Die großen Eisentüren des Palastes öffneten sich kreischend vor ihr. Die Steine der Eingangshalle bedrückten sie. Sie hatte nie bemerkt, wie finster sie waren; wie von den Jahrhunderten überkrustet. Selbst das Glühen der nahen Stengellampen konnte sie nicht erhellen.
    Kaum sah sie die Menschen, die zur Seite traten, um sie den Thronsaal betreten zu lassen. Licht, Farbe, Bewegung der Saal war mit Bannern ausgehängt und voller Tänzer. Aber sie sah nur den schimmernden Thron und die Lichtschwerter, die von den Spiegeln herabstießen, um ihn zu entzünden. Sie blieb stehen und stieß den Atem aus. Dort zu sitzen, der Sonne helle Klinge zu ergreifen und sie zum Nutzen der Leute anzuwenden ...
    Aber sie konnte es nicht. Konnte nicht.
    Tiahna erhob sich. Ihr Sommerfestgewand war schwarz mit Sonnenemblemen bestickt, die blendend aufblitzten, als sie nach vom schritt. Ihre Stärke verblieb sichtbar in der Glut des Thrones und im Feuer ihrer Armbänder aus Sonnenstein. Aber der Paarungsstein hing getrübt an ihrer Kehle, und ihre Augen waren jetzt wie die von Kadura; sie blickten eher zurück als nach vorn.
    Hatte sie bereits angefangen, in Gehirne einzudringen. Wenn es so war, würde sie in Khiras Verstand die verlorenen Gespenster des Zorns finden, in Furcht erstickt. In Khiras Verstand würde sie dieselbe Finsternis finden, die bat das Tal vereinnahmen würde.
    Tiahnas Stimme war rauh. »Gutsommer, Tochter. Wir haben uns hier zum Mittsommertanz der Gezeiten versammelt. Bring deinen Freund mit und komm zu mir.«
    Der geflieste Boden schien sich endlos unter Khiras Füßen auszudehnen, als die Tänzer in ihren Gewändern auseinanderwichen, um sie vorbeizulassen. Als sie zwischen ihnen dahinschritt, konnte Khira ihre Anspannung spüren. Die Tänzer waren so erregt und erhitzt, wie die Menschen auf der Plaza schweigend und wachsam gewesen waren. Es war an der Zeit, die Gezeiten anzurufen, und nichts war heute wichtiger.
    Wortlos nahm Khira ihren Platz neben dem Thron ein und zog Dunkeljunge neben sich. Tiahna setzte sich und hob die Hand, um die Aufmerksamkeit der Tänzer zu erlangen. Es waren Paare – Frauen und Männer –, die Tanzkleider reich verziert mit Stickereien aus verschiedenen Jahrhunderten. Viele Paare hatten in diesem Frühjahr ein Kind miteinander gezeugt. Andere waren dazu ausgewählt worden, im nächsten Frühjahr ein Kind zu zeugen. Als sie zu den sanften Trommelschlägen zu tanzen begannen,

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