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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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über seinen Kopf gleiten, und die Benderzic würden vom Sonnenstein erfahren; von den Barohnas und den Menschen, die viele Hände von Tagen schliefen, während der Schnee tief in ihren Tälern lag. Und dann ...
    Die Ausbeuter. Er ahnte nicht, wer sie waren und wie sie den Sonnenstein für ihre Zwecke mißbrauchen würden. Aber sie würden kommen, und sie würden zerstören.
    Blindlings wandte er den Kopf; versuchte, die Wirklichkeit durch das sich ständig steigernde Rasen der Gedanken und Bilder zu erfassen. Unten stampften Hufe schneller und schneller, bis der Schlag eines jeden Herzens rasend und heftig war. Dunkeljunges Blut kreiste schwindelerregend; sang in seinen Ohren. Einige Wächterinnen hielten sich aufrecht in der Raserei, andere lagen im Schmutz. Rotmähnen, deren Herz zu schwach war, um die stampfende Raserei der Vereinigung zu ertragen, waren auch schon zu Boden gefallen.
    Und Kadura – Dunkeljunge starrte auf sie und erkannte sie kaum. Ihr Gesicht war grau wie Stein. Ihre Augen schienen kaum die eines lebenden Menschen zu sein. Sie blickten in starrer Lähmung zu ihm her, während ihr Körper schwankte. Er sah, daß ihre in die Falten des Umhangs verkrampften Hände blutleer waren.
    Aber sie hatte ihm erzählt, daß Barohnas nie bei der Vereinigung fallen. Sie hatte ihm erzählt, daß sie ihren Tod ersehnen mußten. Sie hatte ihm erzählt...
    Sie hatte ihm von dem Schmerz erzählt, den sie aus den Köpfen um sie herum aufnahm.
    Jetzt erkannte er, daß es sein Schmerz war, der sie zu Stein machte. Es war sein Schmerz, der sie schwanken ließ, als wollte sie gleich fallen und in Stücke zerbrechen.
    Und davor – soviel wurde plötzlich klar – war er ebenfalls derjenige gewesen, der sie alt und krank gemacht hatte. Er war mit Khira in die Ebene gekommen und hatte das Gift verborgener Erinnerungen mit sich gebracht. Der Lenkende hatte ihn gegen Erinnerungen abgeschirmt; aber Kadura sah alles. Sie hatte seine Erinnerungen gelesen, sie hatte seine Träume gelesen; und das hatte sie so sehr verletzt, daß ihr Lebenswille schwankend geworden war.
    Was hatte er jemals geliebt, das er nicht zerstört hatte? Die Menschen vom silbernen Wald, die einfachen Menschen ... Und jetzt würde er Kadura zerstören – und auch Khira; die einen durch Schmerz, die anderen durch ungewollten Verrat. Mit einer furchtbaren Anstrengung (Füße stampften, und sein Blut winselte) drückte er die Hände gegen die Ohren und preßte dann die Knöchel gegen die Augen. Er konnte den peinigenden Ansturm der Erinnerung nicht aufhalten.
    Farbige Steine, singende Schärpen; eine seltsam vertraute Stimme flehte ihn auf einer Dschungellichtung an – er hatte auch andere Menschen zerstört. Er – Fleisch von Birnam Rauth und Geschöpf der Benderzic. Der Arnimi-Commander hatte recht. Er war kein Mensch. Er war ein Tötungswerkzeug.
    Ein Werkzeug; aber ein einzigartiges Werkzeug; eines, das wenigstens seine eigene Vernichtung wählen konnte.
    Auf der Ebene waren bei der mörderischen Raserei mehr Rotmähnen auf der Strecke geblieben. Auf dem Vorgebirge fiel wieder eine Wächterin; ihr Körper sank langsam zu Boden, bis sie leblos dalag; das Gesicht unter der Kapuze des dunkelbraunen Umhangs vor den beobachtenden Monden verborgen.
    Auch er könnte fallen. Schon war der Gesang seines Blutes zum Brausen geworden, das Brausen ein Wimmern. Sein Herzschlag, ein unsinniges Rasen gegen seine Rippe raubte ihm den Atem. Er würgte an hochkommender Galle.
    Er konnte fallen, wenn er sich der Vereinigung vollständig hingab. Er konnte fallen – und niemals mehr jemanden verletzen.
    Er konnte fallen – und schließlich fiel er. Seine Knie knickten ein, sein Körper stürzte auf den hämmernden Boden. Er spürte die Rauheit an seinen Wangen und gab auf dem Boden von Brakrath ein Versprechen ab: Er würde sich nicht wieder erheben, er würde nie wieder töten.
    Das letzte, was er sah, als ihm die Sinne schwanden, war Khiras Gesicht; mondbleich und starrend. Er wußte nicht, ob sie sich wirklich über ihn beugte oder ob er es sich nur wünschte. Aber als sie näherkam, wiederholte er sein Versprechen und löschte sich im Vergessen ihrer Augen aus.
     

 

16 Der Lenkende
    Der Lenkende verließ das Kefri in der zehnten Nacht nach der Vereinigung; er schlüpfte schweigend davon, während Khira und Kadura schliefen. Er nahm weder Packen noch Lebensmittel mit. Er nahm nur Dunkeljunges Spieß; und das auch nur, weil er sich ohne Waffe nackt fühlte. Er

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