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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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zwei: Wächterinnen und Talbewohner.
    Weitere Jahrhunderte vergingen, und Dmira wurde geboren. Eine Wächterinnentochter, die ihre Herden verließ und sich zwischen den freundlichen Bewohnern des Tales ansiedelte. Ihrer Linie entsprang – viele Generationen später – Niabi, die das Feuer des Sonnensteines befreite, den ihr Geliebter geschliffen hatte.
    Es gab schwierige Zeiten, Konflikte; und Zeiten, da sich die Bewohner des Tales einer gegen den anderen wandten. Aber es gab auch weit bessere Zeiten, als die aufstrebende Rasse der Barohnas die Leute an sich zog und ihnen einen neuen Aufschwung verlieh. Nach einer Weile besaß jedes bewohnte Tal einen Sonnenthron, und auf jedem Sonnenthron saß eine Barohna.
    Khiras Finger klammerten sich fest um die Lehne ihres Stuhles, als die älteren Frauen mit dem Vortrag der Liste von Barohnas begannen, die den Sonnenthron in diesem Tal innegehabt hatten. Die Liste war lang, und außer denen der Barohnas gab es die weniger bedeutenden Namen. Die der Palasttöchter, die zum Berg gegangen und nicht mehr zurückgekehrt waren.
    Alzaja. Neue Gänge Fleisch und Brot wurden serviert. Auf jedem Tisch standen dampfende Puddinggerichte. Die Menschen aßen wieder, leckten sich die Finger ab, und der Gesang wurde fortgesetzt.
    Alzaja. Schließlich kam die Zeit für die Verleihung der Namen, und Frauen baten um den Alzajas. Sie reckten die fettigen Finger in die Höhe, durch Essen und Trinken so ausgelassen, so getrieben von der herannahenden Finsternis, daß ihnen nicht klar war, daß sie um eine lebende Seele baten.
    Alzaja. Ihre Seele war zerbrochen. Der Berg hatte sie auf silbernen Schwingen befreit und ihre Schwester mit einem Herz aus Stein zurückgelassen. Dieses Herz konnte den Gesang, die Leute, die gute Laune mit ihrer Unterströmung von Tod nicht ertragen. Das Fest am Vorabend des Dunkelmorgens ließ es jedoch wie Fleisch fühlen, und dieses Fleisch empfand Schmerz. Am entferntesten Ende der Halle sprach eine Frau mit Haaren, die wie eine schneeige Masse um ihre Schultern standen, und mit blitzenden Augen, ihre Bitte aus, und Khira sprang auf die Füße und rannte durch die Feiernden, rannte fort von der Menge; sie war so zerbrochen wie ihre Schwester.
    Niemand rief ihr hinterher, keiner folgte ihr, und sie war sich einer erschreckenden Stille bewußt, als sie aus dem Saal floh. Auch berührte keine leidenschaftslose Stimme ihren Geist. Sie stampfte die düsteren Flure hinunter – die Stengellampen an den Steinwänden waren bereits für den Winter zurechtgestutzt worden – in ihr Zimmer.
    Es enthielt kostbare Dinge; Dinge, die Alzaja hinterlassen hatte. Sie gab sich ihren Gefühlen hin und warf sich aufs Bett.
    Sie weinte. Das letzte Glied war zerbrochen. Alzajas Name war erbeten worden. Im nächsten Frühjahr würde ein neues Baby ihn tragen, das Alzajas Anmut nie kennengelernt hatte. Es würde heranwachsen, und sein Name würde sich mit ihm verändern. Der Name würde sein Wesen annehmen; und wenn sein neuer Träger am Ende soweit war, darauf zu verzichten, würde der Name die Bedeutung seiner Persönlichkeit angenommen haben. Die nächste Mutter, die darum bat, würde ihn nicht einmal mehr mit Alzaja, die durch den Obstgarten gegangen war auf ihrem Weg zum Berg, in Verbindung bringen.
    Irgendwann, während der Kummer auf sie einstürmte, schlief Khira ein. Als sie erwachte, war kein Anzeichen von Sonnenlicht an ihren Fenstern. Die Fensterläden waren wegen des Winters geschlossen worden. Aber sie wußte, daß es Morgen war, und schickte sich widerwillig ins Aufstehen. Sie war jetzt die älteste Tochter, und es war Dunkelmorgen. Es gab da kleine Riten, die in das größere Ritual derer aufgingen, die sich für den Winterschlaf einrichteten. Einer davon war das ihre.
    Sie bemühte sich nicht in den Speisesaal. Dort wäre kein Tisch gedeckt, kein Essen gekocht. Von jetzt an bis zum Erwachen des Frühlings mußte sie sich ihre eigenen Mahlzeiten in der Küche zubereiten.
    Sie ging statt dessen zur Plaza, wo über Nacht knietiefer Schnee gefallen war. Sie blickte zum Berg empor und stellte fest, daß Schneewolken seine schroffen Gipfel vernebelten. Dunkelmorgen war vorzeitig angebrochen. Er war zum Berg und ins Tal gekommen.
    Fröstelnd hielt Khira so lange Wache auf der Plaza, bis die schweren Steintüren der Steinhäuser versiegelt waren. Die letzten Menschen, die durch den Schnee zu ihren Häusern eilten, trugen die Spuren der nächtlichen Feier noch an sich, in den

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