Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
Vom Netzwerk:
trug, wenn der Rat der Verhärteten sich im großen Saal traf.
    So war sie versteckt, von den hauchdünnen Wänden des Edelsteines umschlossen, als die kreischende Stimme auftauchte. Einen Augenblick war sie allein in frostiger Stille. Im nächsten war sie im Strudel eines schrecklichen Tonsturmes, einem rauhen, zerreißenden Schrei. Sie sprengte die Wände des Glühsteines und fand sich mit scharf eingezogenem Atem angespannt im Bett liegen, trat die Bettdecken reflexartig fort, riß die Augen weit und starr auf.
    Der Ton dauerte an, kreischend, quälend, unerträglich Sie holte wieder verzweifelt Luft. Ihr erster zusammenhängender Gedanke war, daß eine der riesigen Bergbestien, ein Klipp-Charger, ein Breeterlik oder ein Schneeleopard im Palast eingebrochen war. Aber sie erkannte schnell, daß da kreischende Winseln ein metallischer Schrei war. Die Schiffe der Arnimi brüllten und kreischten so, bevor sie landeten. Einige ihrer Geräte gaben ebenfalls Geschrei und Kreischen nicht menschlicher Art von sich.
    Das Atemholen machte ihr Mühe, sie zog sich zu einem Knoten zusammen, die Knie gegen die Brust gezogen. Waren die Arnimi zurückgekehrt? So schnell? Aber der noch andauernde Schrei war viel lauter als die Stimme ihrer Schiffe.
    Einen Augenblick kam eine fremde Energie in ihr Zimmer. Khira fühlte sie eher, als daß sie sie sah. Sie prickelte an ihrer Wirbelsäule entlang und richtete die Härchen an ihren Armen auf; bewirkte, daß sich ihre Zähne gewaltsam aufeinanderpreßten. Einige Minuten lang hatte sie das Gefühl, sich gelähmt im Mittelpunkt einer unerklärlichen Strahlung zu befinden; eines gewaltigen, aber unsichtbaren Lichts. Sie gewahrte fern ein merkwürdiges Brummen; ihr eigenes, mühsames Atmen.
    Dann war die Empfindung verflogen, und sie war allein mit dem strahlenden orangefarbenen Glühen der wuchernden Stengellampen und ihrer eigenen Angst. Ihr Körper wurde von Krämpfen geschüttelt. Die Zähne schlugen wild aufeinander. Und immer noch, stellte sie fest, dauerte der fürchterliche Schrei an.
    Sie hockte dort, bis die Scham sie aus dem Bett und auf den Flur hinaus trieb. Welche Palasttochter konnte dieses unbefugte Eindringen zulassen?
    Der metallisch-kehlige Schrei war im Palast allgegenwärtig; sie rannte von Zimmer zu Zimmer und versuchte, die Quelle zu finden – vergebens. Ihr Zähneklappern und die trappelnden Füße waren die einzigen anderen Geräusche Im verlassenen Palast. Noch zweimal, während sie durch die Flure eilte, fing sie der unsichtbare Energiestrahl, hielt Nie kurz und gab sie dann frei.
    Sie erreichte den Thronsaal und preßte sich flach gegen die Steinwand, schaute hinauf in die verdunkelten Sonnenspiegel, die ringsum an den Wänden angebracht waren. Der schrille Schrei wurde kurz tiefer, heftiger, und ließ die Spiegeloberflächen schimmern. Dann, als Khira sich zum Thron schlich, um dort, wie sie hoffte, ein wenig ausruhen zu können, begann der Schrei sich zurückzuziehen. Innerhalb von Minuten war er verschwunden, und Khira war allein in einer Stille, tiefer als alles, was sie jemals gekannt hatte. Sie schien sich über ihr zu schließen, ein tiefer Schacht völligen Schweigens. Die einzigen Laute waren der rauhe Rhythmus ihres Atmens und das andauernde Schnattern ihrer Zähne.
    Schließlich schlüpfte sie steif und sich unendlich klein fühlend, aus dem Thronsaal; zuerst ging, dann rannte sie den Flur hinunter. Wenn der Ursprung des Tones innerhalb des Palastes lag, würde sie ihn finden und ihm mutig gegenübertreten. Andernfalls würde er sogar noch in seiner Abwesenheit Gewalt über sie haben.
    Das Geräusch kehrte nicht wieder zurück, während sie die Palastflure und Zimmer durchsuchte. Auch der unsichtbare Strahl kehrte nicht wieder. Aber als sie sich zwang, jedes verlassene Zimmer zu betreten, und danach niedergeschlagen in ihr eigenes zurückkehrte, wußte sie, daß diese schrecklichen Augenblicke ihre bleibenden Spuren zurückgelassen hatten. Wenn sie dem Ursprung des Tones hätte gegenübertreten können, wenn sie sein Ausmaß hätte einschätzen können, aber sie konnte es nicht. Nirgendwo im Palast war etwas, das nicht bereits zuvor dort gewesen war.
    Jedenfalls nicht an den Stellen, wo zu suchen ihr eingefallen war. Sie erinnerte sich nicht an den Wachturm. Und sie dachte erst daran, als sie spät am nächsten Morgen das beharrliche
Dschink – dschink – dschink
an dessen verriegelter Tür hörte.
    An diesem Tag lief sie wie ein Geist in den Fluren

Weitere Kostenlose Bücher