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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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interessiert waren, wie sie ihre Verwandtschaft gliederten. Wenn es Kunsterzeugnisse gab, wollte er sie berühren. Wenn Schriftrollen da waren, wollte er sie entziffern.
    »Khira ...« Wo waren die Worte für alles, was er wissen wollte?
    »Dunkeljunge – bist du krank?«
    Er schüttelte den Kopf, Fragen erdrückten ihn.
»Nein.
Nein – ich möchte über die Arnimi wissen – ich möchte – alles über sie wissen.«
    Khira berührte nachdenklich die Lippen mit der Zungenspitze. »Ich – ich kann dir ein Bild von ihnen malen«, bot sie an.
    Für den Anfang war das gut. Sie hatte ihm Bilder von ihren Schwestern gezeichnet, jeden Zug bedachtsam und liebevoll ausgeführt.
    »Ja«, sagte er begierig.
    Diesmal holte sie keine leere Rolle und Tusche. Statt dessen führte sie ihn rasch einen seit langem unbenutzten Flur hinunter in ein Zimmer, das vor Jahren zuletzt gekehrt worden war. Dicker Staub lag auf dem Fußboden. Stengellampen bedeckten Wände und Decke mit dichtem Gewirr und erzeugten ein grelles Licht. Khira trat ein, blickte angespannt zu dem Jungen zurück, dann kniete sie sich nieder. Ihr Zeigefinger bewegte sich durch den dichten Staub, und die Karikatur eines Menschen erschien.
    Der Junge ging gespannt in die Hocke. Der Mann, den sie gezeichnet hatte, hatte schmale, gekrümmte Schultern und einen Hängebauch. Seine Augen standen vor, starrend, und seine Lippen waren runzelig zusammengezogen. »Sie sind schlecht«, sagte der Junge sofort.
    Khira zuckte die Achseln. »Nein.«
    »Aber du ...«
    »Ich hasse sie«, sagte sie mit einem kalten Zischen. »Sie wollen alles wissen. Sie lassen nichts privat. Sie gehen zu den steinernen Unterkünften, wenn die Menschen erwacht sind, und messen sie. Nicht nur, wie groß sie sind, sondern wie dick ihre Köpfe, wie lang ihre Beine, wie breit ihre Zehen sind. Sie stecken Nadeln in Menschen, ziehen Blut aus ihnen und füttern damit ihre Maschinen.« Sie funkelte ihn an und grollte ärgerlich. »Sie tragen an den Gürteln Meßinstrumente und zielen damit auf uns. Sie trampeln durch die Felder, stecken Stöcke in den Erdboden. Vor vier Jahre versuchten sie, eine Rotmähne zu schlachten und in ihr Gehirn zu schneiden. Jetzt lassen die Rotmähnenwächterinnen sie nicht mehr in die Ebene kommen. Einer von ihnen versuchte in einem Jahr sogar, meine Mutter zum Winterthron zu folgen. Er wollte sie messen, als die Sonne matt war, um die Tätigkeit ihres Gehirns zu untersuchen.«
    »Aber ich – ich möchte auch Dinge erfahren«, erinnerte er sie. »Ich schaue auf Dinge und stelle dir Fragen.« Es gab Dutzende Fragen, die er ihr über die Arnimi stellen wollte.
    Stirnrunzelnd wischte sie das Staubportrait aus. »Du ißt mit mir«, sagte sie kurz. »Techni-Verra ist die einzige Arnimi, die je mit mir gegessen hat – und Commander Bullens ließ sie dafür büßen.«
    Das machte den Unterschied aus? Er folgte ihr aus dem Zimmer und wußte, daß es das nicht war. Vielleicht lag der Unterschied in seinem Benehmen, in der Tatsache, daß sein Lenkender darauf bestanden hatte, daß er ihr gefiel. »Khira ...« Er versteifte sich, preßte sich die Finger gegen die Schläfen und holte heftig Atem. Ein Gefühl von Veränderung – sein Lenkender war zurückgekehrt.
    Der Junge wollte kämpfen. Kämpfen um die Unantastbarkeit seiner Gedanken, seines Verstandes. Aber wie? Er preßte die Schläfen, versuchte den Lenkenden durch reinen körperlichen Druck zu vertreiben.
    Der Raum – hatte er einen körperlichen Ort in seinem Verstand? War seine Wahrnehmung richtig, daß dort Information gespeichert war? Konnte sein Lenkender zu jeder Zeit dort eintreten, oder nur in Zeiten der Belastung? Khira wandte sich mit einem fragenden Blick um. Er war sich der Steifheit seiner Muskeln bewußt, und des Schweißes, der plötzlich seinen Anzug befleckte. Zitternd nahm er die Hände von den Schläfen.
    Wer war der Lenkende?
Die Frage schoß durch seinen Verstand, und er war erschüttert von ihrer Kühnheit. »Khira ...«
    Aber sie besaß nicht die Antworten auf seine Fragen. Und der Lenkende hielt ihn davon ab, mehr Fragen über die Arnimi zu stellen. Es war offensichtlich, daß Khira nicht über
sie
reden wollte – und sein Lenkender besaß andere Informationsquellen.
    Der Junge schaute finster. Vorhin hatte sein Lenkender einen Beinamen ausgestoßen, in einer Sprache, die dem Jungen nicht bekannt war. Nun fragte er sich, welche es gewesen war – und welche Sprache der Lenkende benutzt hatte, um ihn zu

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