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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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einer zweiten Flasche. Diesmal zerbrach das Gefäß auf dem Boden, bevor er die Augenlider öffnen konnte. Er riß die Augen auf und starrte blind auf das zerbrochene Gefäß; die Lippen vom Hathlo dunkel verfärbt. Er widerstand den andauernden Krämpfen und griff nach der Flasche mit Milo, einem süßen gelben Pulver, das für Pudding und Kuchen gebraucht wurde.
    Adar war nicht der richtige Stern für diese Gelegenheit. Khira versuchte vergebens, hilfreichen Zorn zu empfinden. Sie fand nur Panik. Mit bebenden Händen nahm sie Dunkeljunge das Gefäß ab und schüttelte ihm Milo auf die Handfläche. Er leckte es gierig auf, das trockene Pulver reizte ihn zum Husten. Sie rannte zum Schmelzwasserhahn und holte Wasser herbei. Er trank es und bekam einen Schluckauf, Tränen rannen ihm über die Wangen. Aber er beschäftigte sich weiter mit den Gefäßen, schlang verzweifelt Gewürze in sich hinein, würgte, weinte.
    Endlich war er ruhig. Er trat vom Tisch fort, wischte sich die Augen mit zitternder Hand. »Die Tür ist verschlossen.«
    Khiras Hände bebten. Welche Tür? wollte sie ihn fragen. Und wer wollte, daß er hindurchging? Aber jetzt war nicht der Moment, seine einigermaßen wiedergewonnene Selbstbeherrschung aufs Spiel zu setzen. Er wandte sich schwankend der Aufgabe zu, die Gewürzflaschen auf den Brettern neu zu ordnen. Sie stand teilnahmslos dabei und beobachtete ihn, indem sie sich an all die Male erinnerte, die sie ihn bei dieser Tätigkeit gesehen hatte. War er jedesmal mit einer Tür konfrontiert gewesen?
    Als das letzte Gefäß an seinem Platz stand, wandte er sich ihr mit einem schwachen Stirnrunzeln zu. »Können wir' jetzt essen?«
    Ihr Magen krampfte sich protestierend zusammen. »Ja«, erwiderte sie schwach.
    Dunkeljunge nickte mit gequältem Gesichtsausdruck, holte einen Laib Brot aus der Vorratskammer und schnitt es an. Khira nahm die dicke Schnitte entgegen, konnte sie aber nicht hinunterwürgen. Auch Dunkeljunge kam sein Mund zu trocken für das Brot vor, obwohl er drei Becher Wasser trank.
    Sie starrte ihn an, auf sein aschgraues Profil. Er war ein, Rauthimage; und wenn Tiahna zurückkehrte, würde Commander Bullens sie über diesen Umstand informieren.; Würde Tiahna Bullens Warnung beherzigen? Khiras Nägel gruben sich in die Handflächen. Warum sollte Tiahna sich um das Schicksal eines ausgesetzten Kindes sorgen, wenn sie gesehen hatte, wie alle ihre Töchter zum Sterben auf Terlath gegangen waren? Und ihnen ein Lebewohl entboten hatte, das nicht mehr als ein Nicken vom Throne her war?
    Mit einem schmerzlichen Stöhnen warf Khira ihr Brot fort und eilte aus der Küche, durch die stengelerleuchteten Flure zum Thronraum. Dort setzte sie sich mit gekreuzten Beinen auf die Kante des Podiums und starrte in wintertote Spiegel. Sie schien dort Bilder von Dunkeljunge zu sehen, ausgehungert und mit leeren Augen, wie er zuerst gewesen war, bei seiner Ankunft. Sie hatte ihn genährt, ihm Zuflucht gegeben, ihn ihre Sprache gelehrt. Und sie hatte ihn gegen Commander Bullens verteidigt. Wie könnte sie ihn als ein Bedrohung betrachten?
    Ihre Hände ballten sich im Schoß zu Fäusten. Wie könnte er jemandem Schaden zufügen, wo er doch selbst so armselig war? Wenn er von Türen murmelte und Kräuter und Gewürze hinunterschlang in einem bizarren, beschwörenden Ritual? War es die Natur eines Rauthimages, gegen sich selbst zu kämpfen?
    Machte es ihr etwas aus? Zum erstenmal seit Alzajas Tod hatte sie einen Gefährten – einen, der nicht von der Tradition der Barohnas durchdrungen war. Wenn Dunkeljunge sie ansah, erblickte er nicht Mythos und Tradition, nicht Abstammung und das Potential zur Machtveränderung, sondern einfach nur ein Kind, so schmächtig und so einsam wie er selbst, begabt mit nichts als einem gelegentlichen Ausbruch von Temperament. Er sah kein Kind, das entweder auf dem Terlath sterben oder den Thron besteigen würde. Er sah einfach – Khira.
    Nur Alzaja hatte sie zuvor so gesehen, und Alzaja war tot. Tränen begannen, langsam Khiras Gesicht hinabzulaufen. Sie wischte sie unmutig fort, zornig auf ihre Schwäche, wütend auf ihre Angst. Zum erstenmal in all ihren Jahren fürchtete sie sich vor dem Frühling und der Rückkehr ihrer Mutter. Und selbst wenn sie Abend für Abend zum Wachturm ginge; wie könnte sie sich gegen etwas wappnen, daß Nie nicht verstehen konnte?
    Dunkeljunge war ein Rauthimage, und es gab niemanden, der ihr sagen könnte, was das für sie beide

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