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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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ab. Es war jedesmal das gleiche, wenn er hierher kam, und jedesmal entschied er, daß ihm der Friede mit dem Lenkenden wichtiger als das Schreiben war.
    Er blieb noch eine Weile, schritt an den Tischen entlang, untersuchte gelegentlich eine Rolle, in der Hoffnung, der Lenkende würde sich von seiner planlosen Tätigkeit besänftigen lassen. Es gab noch andere Dinge im Palast, die Erinnerungen zu versprechen schienen: bestimmte Küchengeräte, eine seidene Trauerschärpe, die Khira ihm einmal gezeigt hatte, einen grob geschliffenen Kiesel, den er auf dem Boden hinter dem Kleiderschrank in seinem Zimmer gefunden hatte. Und kürzlich war zweimal Donner von den Bergen erklungen, und er hatte sich dabei ertappt, wie er niedergekauert war und nach etwas Ausschau gehalten hatte, das er nicht zu benennen vermochte.
    Aber keines dieser Dinge versprach so viel wie die Federn und die Tusche und sie konnte er nicht einmal berühren, ohne den Lenkenden aufzuregen. Schließlich verließ er den Kopierraum unbefriedigt.
    Kurze Zeit später saß er mit Khira am Spielbrett, als eine Gruppe von Arbeitern unter dem großen Bogen am Eingang des Thronsaals auftauchte. Dunkeljunge schaute sofort interessiert auf. Die Schritte erzählten von einem widerstandsfähigen Menschentyp, der auf Brakrath trotzt großer Widrigkeiten überlebt hatte. Doch die Menschen, die er beim Reinigen der Plaza beobachtet hatte, waren ihm alle gleichermaßen hager erschienen, mit gebeugten Schultern und verwilderten weißen Haaren. Und jetzt, aus der Nähe betrachtet, sahen sie nicht kräftiger aus.
    Eine von ihnen, eine Frau, trat vor und neigte steif ihr Kopf. »Erbin, Palus schickt uns, die Stengel zu beschneide Sie sind zu groß geworden.«
    Khira blickte mit gereiztem Stirnrunzeln auf. »Ja, ich hab die Töpfe gewässert. Ich brauchte Licht.«
    »Jetzt bringt die Barohna Licht«, erwiderte die Frau ohne eine Spur von Tadel und zog sich zurück. Die anderen folgten.
    Dunkeljunge stand gebannt auf. Er hatte kaum Zeit gehabt, ihr Aussehen in sich aufzunehmen: die Grobheit ihrer Kleidung, die faltige Beschaffenheit ihres Fleisches, die arthritische Steifheit ihrer Glieder. Und keiner hatte ihm mehr als einen Blick gegönnt. »Sehen sie mich nicht?«
    Khira ließ sich zurück auf die Kissen fallen und sah gereizt auf. »Gewiß sehen sie dich.«
    »Aber keiner von ihnen sagte etwas.«
    »Was sollten sie sagen?« Khiras Hand klammerte sich um die Kante des Spielbrettes. »Sie haben die Manieren von Brakrathi, nicht von Arnimi.«
    Also war es Sitte, einen Fremden nicht zu sehen? Dunkeljunge runzelte die Stirn. Khira war heute angespannt, abgelenkt. Sie bewegte ihre Spielfiguren ungeschickt, als wäre sie eine Anfängerin. Und sie sprach entweder abwesend oder scharf mit ihm. Er wußte, er sollte bei ihr bleiben, aber er war von den Menschen fasziniert, die er so flüchtig erblickt hatte. »Sie werden nichts dagegen haben, wenn ich ihnen zuschaue?«
    Khira zuckte mit den Achseln; er sprang von seinen Kissen auf und rannte den Arbeitern hinterher.
    Sie hatten Leitern, Trimmgeräte und einen Karren aus dem Lagerraum geholt. Sie begannen in dem Flur mit ihrem Werk, der dem Thronsaal am nächsten lag. Zuerst schienen sie durch Dunkeljunges Gegenwart gehemmt zu sein, vermieden sorgfältig seinen neugierigen Blick, schauten nie direkt zu ihm hin. Aber nach einiger Zeit vergaßen sie ihn und bewegten sich selbstbewußt bei der Arbeit. Es war ein modriger Geruch um sie, er haftete an ihren Kleidern, in ihrem Haar, und ihre Stimmen waren durch den Nichtgebrauch während des Winters heiser. Sie arbeiteten langsam, mit steifen Bewegungen, und sprachen kaum. Aber Dunkeljunge beobachtete, daß jeder genau zu wissen schien, was er zu tun hatte. Alle machten sich bereitwillig an ihre Arbeiten, ohne den anderen in den Weg zu treten. Wenn einer die wuchernden Stengel beschnitten hatte, stand ein anderer bereit, um sie in eine Schubkarre zu kehren, und wieder ein anderer, um den gefüllten Karren wegzurollen.
    Nachdem er dem Schneiden und Kehren eine Weile zugeschaut hatte, folgte Dunkeljunge dem Karrenschieber und fand heraus, daß die leuchtenden Stengel in einer kahlen, fensterlosen Kammer jenseits der Küche ausgekippt wurden. Als der Karrenschieber sich nach dem Abladen seiner Last herumdrehte und Dunkeljunge am Eingang der Türe stehen sah, stoppte er seinen Karren und blickte starr an des anderen linker Schulter vorbei.
    Dunkeljunge schaute unbehaglich hinter sich, dann

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