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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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fürchtete, wenn er Donner hörte? Daß er glaubte, es gäbe Geschichten in ihm, von denen er nicht wußte, wie er sie erzählen sollte? Daß es in seinem Kopf Türen gab, die zu öffnen er keinen Weg fand? »Khira, ich weiß gar nichts zu erzählen.« Verzweifelt suchte er nach Worten, um seine Hilflosigkeit zu verdeutlichen.
»Er
schon,
er
kennt Dinge – oder weiß, wo man sie finden kann. Aber ich nicht.«
    Ihre Hände drückten die seinen stärker. »Er?« Dunkeljunge holte Luft, überrascht darüber, daß er ihr so viel gesagt hatte. »Der Lenkende.«
    »Der Lenkende?« Sie runzelte die Stirn. »Dein Lenkender? Derjenige, der dir sagt, was du tun sollst?«
    Aber er konnte es nicht erklären. »Ich kann es dir nicht sagen. Khira – ich kann nicht über ihn sprechen. Und ihr kann ich es auch nicht sagen.«
    Die stumme Bitte in ihr hielt eine Weile an, dann ließ sie ihre Hände in plötzlicher Hoffnungslosigkeit sinken. Sie wandte sich vom Fenster ab, ihre Lippen zitterten. »Du kannst ihr gar nichts sagen. Und sie ist jetzt bald in den Obstgärten.«
    Er schaute aus dem Fenster und sah, daß sich auf der ganzen Plaza Familien zu Pyramiden aufgestellt hatten, die leichteren Mitglieder standen auf den Schultern der kräftiger gebauten. Sofort schnürte sich seine Kehle zu. Aber er hatte eine kalte Nacht lang gewartet, um Tiahna zu sehen. Gewaltsam verscheuchte er Khiras Ängste aus seinem Verstand.
    Das gleitende Licht bewegte sich durch die kahlen Bäume der Obstgärten, quer über die eingedämmten Felder. Während sie dem Palast entgegenschritt, wurden schließlich Terlaths zerklüftete Spitzen und Tiahna selbst im Morgengrauen sichtbar, groß, gebräunt.
    Ein Kind schrie unten auf, und Dutzende fielen ein.
    »Tiahna kommt!«
    »Die Barohna!«
    »Warme Tage! Warme Tage!«
    Dunkeljunge neigte sich gebannt aus dem Fenster. Sogar von hier aus fühlte er die Hitze und die Macht von Tiahnas Gegenwart. Ihre Gesichtszüge waren streng, stark, und ihr Haar fiel ihr wirr über die Schultern, ungepflegt und von Bergwinden zerzaust. Sie trug ein wollenes Hemd, das einst weiß gewesen sein mochte. Jetzt aber war es verschmutzt und zerrissen, und an seinem Saum waren Blutspuren.
    Tiahna erkannte die Menschen nicht, als sie sich über die Plaza bewegte. Sie griff nach dem Paarungsstein an ihrem Hals, und zuweilen wallte Licht in ihm auf. Das Glühen der Armbänder aus Sonnenstein war beharrlich, als bekämpfe die Wintersonne die Dämmerung des Frühlings.
    Tiahnas Badestein war im Zentrum der Plaza angelegt, rechteckig, schwarz, matt. Tiahnas näherte sich ihm und berührte ihn fast geistesabwesend mit den Fingerspitzen einer Hand, während der Paarungsstein in ihrer anderen glühte. Die Reifen aus Sonnenstein an ihren Handgelenken leuchteten auf, dann erloschen sie, und der Badestein glühte kurz in diffusem Licht. Tiahna beugte den Kopf, schloß die Augen und legte sich in voller Länge auf den Stein. Lange lag sie bewegungslos, mit geschlossenen Augen und hartem Gesichtsausdruck. Menschen stürzten von den Pyramiden und fielen über die Plaza. Dann blickte die Sonne über die Schulter des Berges, bleich im Morgendunst. Tiahnas Augen schlossen sich bis auf schmale Schlitze, und unvermittelt beugte sie den Kopf nach vorne, um ihren starren Blick der aufgehenden Sonne entgegenzurichten.
    Dunkeljunge fühlte, wie er unkontrolliert zitterte, als wäre er im Begriff, Augenzeuge eines Geheimnisses zu werden. »Dürfen – dürfen wir zusehen?«
    Khiras Antwort war kaum zu hören. »Wir schauen immer zu.«
    Er sah wieder hin. Die Sonne schwebte über dem Horizont, verstreute ihre Energie gleichermaßen über den Berg und über das Tal, über unfruchtbare, felsige Berghänge und Felder, die darauf warteten, bestellt zu werden, über Weideland und Ödland. Dann erfaßte Tiahna den Sonnenball ihren plötzlich lodernden Augen und zog die Energie sich, die ihr entgegenwaberte, bündelte sie zu einem eizigen intensiven Strahl. Der Strahl zitterte von der Sonne den glühenden Augen, wurde sogleich derart konzentriert, daß er genau in die geweiteten Pupillen Tiahnas paßte. Berghang und Palast überfiel Dunkelheit. Sogar die Plaza versank in tiefschwarze Finsternis.
    Dunkeljunge hielt sich eine Hand vor die Augen und konnte sie nicht sehen. Alles, was er erkennen konnte, wie die konzentrierte Energie zwischen der Sonne und der Barohna. Stumm zog Tiahna die Energie durch ihre geweiteten Pupillen und speicherte sie in der schwarzen

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