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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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meine Stiefel zu schnüren«, entschuldigte er sich und versuchte, den rauhen Ton aus seiner Stimme zu verbannen.
    Sie nickte verwirrt. »Hier ... versuch mal diese Gamaschen anzuziehen. Wenn sie nicht passen, gehe ich noch einmal in den Lagerraum.« Sie betrachtete mit gerunzelter Stirn die zum Bersten vollen Packen. »Alles andere ist gepackt.«
    Die Gamaschen saßen, und bald darauf schlüpften sie aus dem Palast, jeder trug einen Packen und ein Bündel. Der Lenkende blieb dicht hinter Khira und hoffte, sie würd nicht bemerken, wie ungeschickt er sich bewegte.
    Auf der Plaza war die Nachtluft mit einemmal dunstig und kühl, als wenn die Hitze, die Tiahna mit ins Tal gebracht hatte, darum kämpfte, die eindringende Kälte von den Bergen zurückzuschlagen. Sie eilten quer über die Plaza, und Khira schien nicht zu bemerken, daß sich der Lenkende steif bewegte. Aber als sie die breiten Stufen hinauf stiegen, die auf die Kronen der Dämme um die Felder führten, vergaß er sich. Er blickte in das schlammige Wasser auf den Feldern. Und blieb stehen. Bedächtig fuhr er mit der Zunge über die Lippen und befeuchtete sie. »Es ist ... tief.
    Sie wandte sich überrascht um. »Es geht uns bis über die Köpfe«, antwortete sie mit einem Achselzucken. »Du bist doch nicht ängstlich, oder?«
    War er das? Seine Fäuste ballten sich an den Seiten, und er kämpfte darum, seine Angst zu unterdrücken. Die Dammkronen waren breit und ebenmäßig gepflastert. Selbst wenn er nicht Dunkeljunges mühelose Koordination besaß, warum nahm er an, er würde ins Wasser fallen?
    Diese Selbstberuhigung ließ den Schweiß nicht auf seine Lippen trocknen, brachte seine Füße nicht dazu, sich williger zu bewegen.
    Khira blickte mit wachsendem Ärger zu ihm zurück. »Es wird in einer Stunde immer noch so tief sein«, erinnerte sie ihn schneidend.
    Das stimmte. Er konnte hier nicht stehenbleiben, bis das Wasser sank. Gewaltsam zwang er sich, Khira zu folgen. Aber er ging mühsam und war sich jedes Schrittes bewußt.
    Als sie den letzten Damm verließen, entkrampften sich seine Knie in augenblicklicher Erleichterung. Aber jetzt befanden sie sich in den Obstgärten, rannten durch die kahlen Bäume, ihre Füße versanken im Schlamm. Und was darin leben mochte – er war zu ängstlich, es sich vorzustellen. Einmal, als er Khira nachrannte, stolperte er und unterdrückte einen erschreckten Ausruf. Khira drehte sich um und half ihm ohne Vorwurf auf.
    Die Luft wurde kühler; kurz vor Morgengrauen erreichten sie Terlaths untere Hänge. Dort machten sie halt, um die gesteppten Jacken und die Gamaschen anzuziehen. Khira stopfte ihr Haar unter die pelzgefütterte Mütze, der Lenkende rieb sich die zitternden Hände warm, bevor er die dicken Fäustlinge anzog. Rauhe Winterwinde fegten den Berghang hinab, trieben unterhalb der warmen, dunstigen Luft des Tales und drängten sie in dichten Wolken nach oben. Das Donnern war näher gekommen, heftiger geworden, und Blitze zuckten quer über den bewölkten Himmel.
    Erinnerungen.
Der Lenkende drängte sie zurück und kletterte über verschneite Hänge Khira nach, durch Schneeverwehungen und frische Felsstürze. Sie bewegte sich, als wäre sie für die Berge geschaffen. Er bewegte sich ungraziös, ständig stolpernd, erschreckt. Nach einer Weile erreichten sie eine große Linse aus Glasstein, eingesetzt in einen stützenden Rahmen, der sich drehte, um das Sonnenlicht zu konzentrieren und den Berg hinauf auf die Spiegel im Thronsaal zu richten. Sie ruhten sich dort eine Zeitlang aus, Donner grollte von allen Seiten. Der Lenkende umklammerte seine geschundenen Knie, bis ihm klar wurde, daß Khira ihn stirnrunzelnd betrachtete. Ängstlich zwang er seinem Körper eine entspanntere Haltung auf, aber er befürchtete, daß sie bereits erkannt hatte, was er verbergen wollte. Als sie auf die Füße kam und den Weg die Hänge hinauf fortsetzte, sprach sie kein Wort.
    Schließlich hob sie die Hand und bedeutete ihm anzuhalten. »Da vorne ...« Sie schob eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn und schaute mit schmalen Augen zu ihm zurück. »Da, hinter der Felsspalte, ist ein unterirdischer Gang, der zu Mingeles Tal führt. Wir können uns im Palast verstecken.« Sie preßte die Lippen zusammen und betrachtete ihn genauer. »Aber es könnten Felsleoparden im Gang sein. Manchmal schlafen sie dort den Winter über.«
    Felsleoparden.
Das Wort zerrte an seinen Nerven. Er wußte aus den Schriftrollen über die

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