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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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als du aufstandest ... kamen zwei von dir hoch ... du warst doppelt!« sie stieß ihn heftig von sich, daß er gegen die Wand prallte.
    Der Lenkende hob bittend die Hand. Wenn sie nur zuhören würde, wenn sie nur begreifen würde. »Khira ... ich bin ...
ich schütze Dunkeljunge.
Ich führe ihn. Ich ...«
    Khira kräuselte die Lippen. »Du schützt ihn ... indem du hinfällst? Dadurch, daß du jedesmal stolperst, wenn du einen Stiefel vor den anderen setzt?«
    »Ich ...« Wie konnte er seine Ungeschicklichkeit erklären, wenn er sie selbst nicht verstand? Dunkeljunge bewegte sich leicht, sicher und ohne Furcht. Aber irgend etwas schien die Muskeln des Lenkenden zu hemmen, machte  seinen ganzen Körper steif und unbeholfen. Es schnürte Ihm sogar die Kehle zu, so daß seine Stimme heiser herauskam. »Khira …«
    Du bist der Lenkende!«
Sie beugte sich näher, ihre Augen blitzten. »Du bist der, von dem er mir zu erzählen versuchte. Der, der Dinge weiß!
Du bist überhaupt nicht Dunkeljunge!«
    So hatte sie es sich nicht vorgestellt. Sie hatte es bis jetzt nicht geahnt. Er fiel gegen die Wand zurück, seine Muskeln fühlten sich zerschlagen an. »Ich bin es nicht.«
    Sein Eingeständnis brachte sie für einen Moment zum Schweigen. Sie zog sich zurück und wischte ärgerlich ihre Tränen fort. »Ich begreife es nicht«, sagte sie endlich, wie ein verlorenes Kind.
    Er seufzte. Er verstand es auch nicht. Wieso waren sie zwei in einem Körper, der eine ängstlich und erschreckt, der andere furchtlos? Einer, der sich zurückhielt, ein anderer, der nach vorn drängte? Weil sie die Benderzic so geschaffen hatten? Weil die Benderzic ihm Angst eingegeben hatten, um damit Dunkeljunge zu führen? Weil es keinen anderen Weg gab, zu kontrollieren und zu planen?
    »Ich begreife es nicht«, sagte sie erneut, heftiger. Ihre Augen waren plötzlich trocken und zornig. »Aber ich weiß eines. Dunkeljunge versprach, mich nicht zu verlassen.« Ihre Lippen wurden schmal. »Das war es, was er mir sagte – daß er mich nicht verlassen würde.«
    Wie konnte er ihr antworten? Er konnte ihr nichts über Donner und Träume erzählen, über seinen Vertrag, über die Pflichten, die er zu lange vernachlässigt hatte.
    Was würde ihr Dunkeljunge erzählen? Der Lenkende blickte verzweifelt zu ihr auf. Khira, wenn er dich verläßt, wollte er sagen, wann immer Dunkeljunge dich verlassen muß – ich werde es nicht tun. Ich werde dich nicht allein lassen. Die Worte und das Gefühl, das er in ihnen fand, bewegten ihn seltsam, und er wunderte sich über seine Gefühle. Warum sollte er sich darum kümmern, daß sie wütend und gekränkt war? Es gab über sie nichts im Vertrag.
    Kam es noch darauf an?
    »Khira ...«
    »Er hat mir versprochen, mich nicht zu verlassen«, sag sie entschieden. Schnell kam sie auf die Füße und schritt in die Dunkelheit des Ganges davon.
    Ihr Schmerz berührte ihn, tat ihm weh. Er wollte nachgehen, sie beruhigen. Aber er wußte, die einzige Beruhigung, die sie wollte, war Dunkeljunge.
    Und er konnte ihr Dunkeljunge nicht geben. Als er endlich wieder schlief, unbequem vor der Steinwand zusammengerollt, träumte er von Donner: dem Donner des Sturmes in einem unbekannten, feuchten Dschungel, dem Donner eines Schiffes am Firmament, dem Donner, der von Dunkeljunges Herz ausging. Und durch all seine Träum fühlte er, daß Dunkeljunge nach Bildern tastete, die er nie erreichen durfte: violette Augen und nachtschwarzes Haar, eine Seide, die in der Sonne sang, goldene Himmel.
    Dunkeljunge suchte nach Dingen, die er nicht finden durfte. Und als der Lenkende erwachte, wußte er, daß auch er nach etwas gegriffen hatte, das nicht für ihn bestimmt war. Er hatte nach Khira gegriffen, hatte sich um sie gesorgt. Und er durfte es nicht. Er konnte seinen Vertrag nicht erfüllen, indem er sich sorgte.
    Er durfte sich um nichts und niemanden sorgen.
    Trotzdem war es nicht bedeutungslos für ihn, daß Khira am nächsten Morgen seinen Blick mied und nicht zu ihm sprach. Sie aß schweigend, als wäre sie allein. Und als der Lenkende ihr aus dem Gang folgte, blickte sie nicht zurück. Sie ging, als wäre sie die einzige Person auf dem Berg.
    Ihre Ablehnung war ein körperlicher Schmerz. Sie schmerzte auf die gleiche Art, wie seine geschundenen Füße schmerzten, ebenso, wie seine verkrampften Oberschenkel weh taten. Aber er folgte stumm und machte keinen Versuch, sie zu versöhnen. Er wußte, er durfte es nicht.
    Das Licht der Morgensonne

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