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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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die sich die Menschen erzählen ...«
    Der Steinfalke funkelte sie schrecklich an und kreischte erneut. Das Geräusch zerriß die Luft.
    Die
warme
Luft; sie war warm und knisterte, als wäre ein unsichtbares Energienetz über die Plaza gefallen. Khira und der Lenkende waren in ihm gefangen, eingeschlossen. Überall um sie herum begannen Eis und Schnee zu schmelzen. Der Lenkende starrte mit offenem Mund, Angst jagte durch sein Nervensystem, seine Finger und Zehen kribbelten davon.
    Mit einem dritten, ohrenzerreißenden Schrei stieß sich der Vogel von seinem Sitz ab. Der Lenkende wußte, wenn es ein Vogel aus Fleisch wäre, müßte er eine mahagonifarbene und weiße Zeichnung besitzen. Er hatte sie nicht. Statt dessen war er grau – selbst die Krallen, die schwarz hätten sein müssen. Der Steinfalke stürzte quer über die Plaza, den einen Kopf hilflos fixiert, den anderen ausgestreckt, die Steinaugen starrten, der Schnabel klaffte weit auf.
    Endlich fand Khira Worte. Sie kamen schwach, trockene Worthülsen. »Es ist meine Mutter. Die Legende ... sie kann Stein lebendig werden lassen.«
    Der Spieß fiel aus der Faust des Lenkenden, und die Farbe wich aus seinem Gesicht.
Tiahna.
Da gab es eine Legende in den Schriftrollen – er hatte sie nicht gelesen, aber er hatte einen Hinweis darauf gefunden –, daß eine Barohna die Macht hatte, sich selbst in Stein zu hüllen, ihn sich wie ein lebendes Geschöpf bewegen zu lassen, ihn springen, rennen, schreien, weinen zu lassen.
    Und töten.
    »Ich habe es nicht geglaubt«, flüsterte Khira.
    Auch er hatte es für nicht mehr als eine Legende gehalten Aber jetzt kam die Legende über sie, und der Tod war in ihren Augen. Und sie waren ihr gegenüber hilflos. Der Lenkende wollte rennen, sich verstecken. Aber seine Muskeln waren durch den Schock gelähmt.
    Khira kämpfte gegen ihre Erstarrung an, bückte sich und ergriff den Spieß, den der Lenkende fallen lassen hatte. Die schreckliche Kraft der Erscheinung Tiahnas summte und knisterte um sie herum, ließ alles unwirklich erscheinen: die verlassene Plaza, die schmelzende Eiskruste und die ge meißelten Figuren, die unbeweglich in ihren Nischen standen.
    »Mutter, nein! Ich habe ihn dazu gebracht, mit mir zu kommen! Ich habe ihn dazu gebracht, fortzulaufen!« Ihre Stimme kam abgehackt und schrill. »Die Arnimi haben dir Lügen erzählt!
Mutter ...«
    Der Lenkende spürte, wie sich seine Eingeweide vor Angst zusammenkrampften. Es ging um ihn ...
sie war seinetwegen gekommen.
Sie würde ihn mit steinernen Krallen zerreißen. Als er emporblickte, hackte der Falke mit dem Steinschnabel. Sein Schrei war ohrenbetäubend und mißtönend.
    Khira fiel auf die Knie, der Spieß fiel ihr aus der Hand. Der Lenkende war hilflos Zeuge, wie Khira versuchte, eine gestammelte Bitte in zusammenhängende Worte zu kleiden, Worte, die Dunkeljunge retten sollten. Doch ihre Kehle verschloß sich, als der große Vogel heranschoß, und sie schrie nicht einmal.
    Einen Augenblick später ließ der Schmerz sie aufschreien. Denn der Falke flog nicht zu Dunkeljunge, sondern zu ihr, zog seine Steinkrallen über ihre Wange, schwang sich wieder empor und flog davon. Khira drückte ungläubig ihre entblößte Hand gegen die blutende Wunde. Der Lenkende starrte auf sie mit dem gleichen stummen Unglauben.
    Tiahna war nicht seinetwegen gekommen. Sie war wegen Khira gekommen.
Warum?
Ihm blieb keine Zeit, sich wundern. Der Falke flog erneut vorbei, diesmal schnapp er nach Khiras Haar und zerrte ihr blutige Büschel aus der Kopfhaut. Für einen Moment hing der Falke mit schlage den Schwingen über ihnen, starrte sie wild an, mit Auge die der Lenkende kannte, Tiahnas Augen. Dann segelte davon.
    »Khira ...«
    Sie wandte sich betäubt um und blickte mit starren Pupillen auf ihn. »Sie – sie hat ...«
    Das Herz des Lenkenden schien kaum noch zu schlagen Er stand wie eine geschnitzte Figur, unbeweglich, kalt, hilft los, als der Falke mit ausgebreiteten Flügeln zurückkehrt den Kopf ausgestreckt, den Schnabel bereit zu zerreißen, Kehrte zurück –
wegen Khira.
    In seiner Angst hatte der Lenkende Dunkeljunge vergessen. Aber wenn der Lenkende sich nicht bewegen konnte, Dunkeljunge konnte es. Er bückte sich, packte den Spieß, den Khira hatte fallen lassen, und erhob ihn. Alarmiert ran der Lenkende schweigend mit Dunkeljunges Muskeln, die ihm nicht länger gehorchten, verkrampfte sie und ließ sie sich winden.
    Lauf!
Der Lenkende schickte die schrille Warnung in alle

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