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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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    »Sie kämpfen«, sagte Tedni und blickte zurück zum dornigen Labyrinth. »Die Yarika haben noch nie so gekämpft. Sie sind Diebe - keine Soldaten. Aber mein Vater schafft es nicht, sie zurückzuschlagen. Sie werfen sich in seine Messer.«
    Hungrig. Verhungernd. Durch ein hartes Land hart geworden. Sie hatten sich in die Messer ihres Vaters geworfen, weil sie ohnehin erwarteten zu sterben. Denn der Größere Clan besaß eine Barohna.
    Plötzlich wurde ihr Mund trocken. Weil sie auf der Suche nach ihrem Vater hierher gekommen war, waren Menschen gestorben. Die Suche hatte sie vorwärtsgedrängt, und jetzt waren fünf Gothnis tot. Die Yarika waren tot. Wahrscheinlich sogar die Zollidars, denen die Yarika den Stein gestohlen hatten. Und alles, weil sie in die Siedlung des Größeren Clans gekommen war. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und wußte, daß ihr Gesicht ebenso blaß wie Daniors war.
    Aber es gab etwas, was sie tun konnte. »Wann ... wann wird mein Vater zurückkommen?« wollte sie wissen. In diesem Moment fühlte sie sich so zerbrechlich wie Glas, bereit, unter dem Ansturm der Gefühle zu zerbrechen: Entsetzen, Kummer - und, stärker als alles andere, Wut.
    Tedni starrte sie an, zwischen seinen Augen bildeten sich senkrechte Falten. »Bei Tagesanbruch. Vielleicht früher.« Ihr Vater würde bei Tagesanbruch zurückkehren, und sie würde ihn bald danach verlassen. Sie würde fortgehen und versuchen zu vergessen, daß sie jemals auf einer Weißmähne geritten war und ein Blaues Lied gehört hatte; daß sie jemals einen dunklen Mann mit suchenden Augen gekannt hatte. Sie würde gehen, aber nicht aus eigenem Entschluß. Das Recht, bei ihrem Vater zu bleiben, war ihr genommen worden. Durch die Yarika. Durch die Gothnis und die Zollidars. Durch all die anderen Wüstenclans.
    Denn selbst wenn ihr Vater nicht plante, die Kleinen Clans zu vernichten, selbst wenn er nur die Absicht hatte, Pan-VI zu verteidigen - es waren Menschen gestorben, weil sie hierher gekommen war. Und blieb sie, würden weitere sterben. Männer und Frauen. Vielleicht auch Kinder, die so jung wie Tedni und Resha waren.
    Sie drehte sich um, ein bitteres Gefühl in der Kehle. »Sag meinem Vater, daß er mich bei den Rotmähnen finden kann«, sagte sie und lief rasch, bevor Danior und Tedni ihre Tränen sehen konnten, der Glassiedlung entgegen. Bevor sie die blinde, brennende Wut hinter ihren Tränen entdecken konnten - und die hilflose Verwirrung, die sie verbarg. Sie war auf ihrer Suche hierher gekommen, und die Clans hatten ein Blutbad gemacht. Sie waren hungrig, getrieben doch sie vertrieben sie von ihrem Vater, in dem Moment, da sie ihn gefunden hatte.
    Tiere, Wilde - nein, sie waren nichts davon. Und sie wußte, daß sie sie nicht dessentwegen hassen durfte, was sie waren: mit Fehlern behaftete menschliche Geschöpfe, die sie für ihr Leben und ihren Tod verantwortlich machten. Doch sie hatte auch Fehler, und in Augenblicken wie diesen haßte sie sie.
     

13 Keva
    «Keva! Keva!«
    Stöhnend tastete sich Keva durch eine Feuerbarriere der Stimme ihres Vaters entgegen, schauderte und versuchte, wieder umzukehren. Sie wollte nicht aufwachen, selbst aus ihren Träumen von brennenden Bergen nicht. Sie wollte nicht erneut mit all dem konfrontiert werden, was in der vorigen Nacht geschehen war. Sie preßte abwehrend die Hände vor die Augen, doch dann berührte ihr Vater ihren Arm, und irgendwie stürzte wieder alles auf sie ein. Die Yarika. Was Danior durch seinen Stein gesehen hatte. Die Menschen, die sich dem Größeren Clan in die Messer geworfen hatten. Ihre Wut.
    »Keva, du hast auf der Erde geschlafen. Deine Arme sind so kalt wie die Berge. Komm, steh auf; ich habe Maiya schon gesagt, daß sie die Wanne anwärmen soll.«
    Keva öffnete aufschluchzend die Augen. Es war noch früh am Morgen, kurz nach Tagesanbruch. Ihr Vater hockte barfüßig neben ihr. Er war frisch gewaschen und in ein sauberes Gewand und fleckenlose Hosen gekleidet. Doch als sie aufsah, entdeckte sie in seinem Gesicht etwas, was Wasser niemals fortwaschen konnte. Einen Makel: Blut. Und um den Arm trug er eine Binde.
    Sie setzte sich steif auf und war überrascht, Tinata zu entdecken, die sich neben ihr zusammengerollt hatte; ihr weißes Gewand war staubig. Keva löste sich behutsam von ihr und schaute verwirrt umher. Nur allmählich erinnerte sie sich daran, daß sie hierher, zum Pferch, wo die Rotmähnen verpflegt wurden, gekommen war in der

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