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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Herde. Höre, meine Herde .. .
    Der Unterricht dauerte an, monoton und beruhigend. Danior riß sich nach einer Weile von ihm los und stellte fest, daß Keva die Hände auf den Boden gepreßt, den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen hatte; es sah so aus, als höre sie zu.
    Hört, meine Fohlen. Wir alle leben zusammen in der Stärke unserer Herde; an euch ist es, sie zu bewahren. Wenn sich das Ende
des
Sommers nähert, müßt ihr bestimmte Rinden und Blätter fressen, um die Nährstoffe, die ihr dem frischen Gras entnommen habt, ins Gleichgewicht zu bringen. Zu dieser Zeit wird sich ein Gefühl hinten, in eurem Hals, bemerkbar machen, das sich so anfühlt ... Ihr müßt lernen, auf dieses Signal zu achten, denn die Stärke unserer Herde liegt in uns allen.
    Seid vorsichtig, junge Hengste und Stuten. Bald wird es für euch Zeit sein, einen Gefährten
zu
wählen. Unser Friede ist kostbar , dennoch gibt es einige, die ihn stören wollen. Ihr werdet sie durch ihre Unaufmerksamkeit beim Unterricht und ihr leichtsinnig Verhalten erkennen; wie sie sich zwischen uns bewegen. Es
ist
nicht an euch, sie fortzujagen, außer, sie verletzten unseren Frieden offensichtlich, aber ihr dürft euch nicht mit diesen Leichtsinnig paaren. Sie würden euch Fohlen schenken, denen die gleiche Unbekümmertheit angeboren wäre. Unser Friede liegt in der Weisheit, die wir miteinander teilen. Ihr müßt sie stets bewahren.
    Gebt acht, Stuten …
    Keva hörte zu. Danior sah es an ihren wächsernen, reglosen Lidern und ihrem langsamen Atemrhythmus. Er hob den Kopf und schaute sich kurz um, dann senkte er ihn leichtert wieder. Denn wenn der Unterricht sie so anrührte wie ihn und ihre inneren Widerstände fortspülte, vielleicht würden dann die Verlegenheit, die Bedenken, die heu zwischen ihnen aufgekommen waren, verschwinden, und sie könnten damit beginnen, einander kennenzulernen Könnten zu begreifen beginnen, was es bedeutete, daß einander so sehr glichen, daß sie einander gefunden hatten. Daß keiner von ihnen länger allein war. Er blickte verstohlen zu ihr und fragte sich, ob das jemals für sie so viel bedeuten könnte wie für ihn – nicht mehr allein zu sein. Mit einem Seufzer ließ er sich wieder vom Unterricht gefangennehmen.
     

6 Keva
    Der Unterricht war wie der in der Nacht vorher. Die Stute stand unerschütterlich, die Rotmähnen ließen die zotteligen Köpfe sinken, und die Monde bewegten sich über das Wasser. Keva verstand es nicht. Was hatte sie geglaubt zu hören?
    Was konnte eine Rotmähnenstute ihr denn beibringen? Daß ihre Feuerträume nur Träume waren und keine Vorahnung? Daß nichts Unwiderrufliches geschehen war, als sie den Minx tötete? Daß das Gefühl, sie hätte sich verändert, das im Schlaf über sie gekommen war, nur eine Folge ihrer Erschöpfung und der Fremdartigkeit der Ebene war?
    Daß die Geschichten, die Par über barohnale Töchter, die wilde Tiere töteten und die Kräfte ihrer Mütter übernahmen – Feuer aus der Sonne zu ziehen, Steine zum Tanzen zu bringen –, Phantasien waren Jahrhunderte von der Realität entfernt?
    Daß sie ihren Vater finden würde?
    Anstatt geöffnet auf dem Boden zu ruhen, verkrampften sich Kevas Hände. Sie spürte wieder den Schaft des behelfsmäßigen Spießes in der Hand, spürte den Widerstand, den die ledrige Haut des Minx ihm bot. Dann das plötzliche Nachgeben und tiefe Eindringen.
    Ihre Mutter war eine Barohna gewesen. Mußte sie ebenfalls eine Barohna werden? Hatte sie bereits damit begonnen, Sie schauderte und fragte sich, ob ihr in dieser Hinsicht eine Wahl blieb. Sie fragte sich, was sie noch lernen mußte, Dinge, die sie nicht wissen wollte. Den ganzen Tag schon war sie sich verschiedener Ebenen von Schwierigkeiten bewußt gewesen, die knapp unter der Oberfläche des Begreifens wucherten. Sie hatte Danior getroffen, mit ihm gegessen und gesprochen, und jetzt fühlte sie, daß der Untergrund im Begriff war, sich zu öffnen und ihr ein Netz von Beziehungen und Möglichkeiten zu offenbaren, die sie niemals für möglich gehalten hatte.
    Sie spürte, daß das Netz dabei war, sie zu verwickeln, daß es nichts gab, was sie hätte tun können, um sich aus seinen klebrigen Fäden zu befreien.
    Danior, Tehla, ihre Mutter, das tote Tal ...
    Sie blickte zu Danior hin. Er hatte die Knie hochgezogen, so daß seine Fußsohlen wie die Hände auf der Erde lagen. Seine Augen waren geschlossen, das Gesicht ruhig. Er schien an einem anderen Ort zu weilen.
    Keva biß sich auf

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