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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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damit an, daß sie einer Barohna einen Stein gestohlen haben. Wenn die Gothnis entdeckt werden, wird sichtbar, daß du im Grunde kein so leichtes Opfer bist. Daß jeder, der am Leben bleiben will, sich dir vorsichtig nähern muß. Aber hier ist es sinnlos, die Kadaver so liegen zu lassen, daß sie gesehen werden. Sie enthalten keine Mitteilung.«
    Keva zuckte mit den Schultern und wanderte schweigend weiter.
    Dann ging die Sonne unter. Sie befanden sich auf einer niedrigen Anhöhe. Rezni berührte Kevas Arm und deutete zum südlichen Horizont. »Pan-Vi«, sagte er – ohne Arroganz, ohne Überheblichkeit. Sondern mit etwas, was Keva vorher noch nicht bei ihm wahrgenommen hatte: Ehrfurcht.
    Danior ließ seinen Packen fallen und schaute in die Richtung, in die Rezni deutete. »Dort, Keva. Hinter den dornigen Sträuchern. Du kannst die Sonne auf den Scheiben sehen. Wenn du ganz genau schaust, kannst du sogar einzelne Gebäude ausmachen.«
    »Ja, schau nur zum Rand im Osten, dann wirst du den
han-tau
meines Vaters sehen. Es ist die gewölbte Kuppel – du kannst sie hinter den beiden rechteckigen
taus
erkennen. Sie gehören Pesta und Frinz, die zu den Sisserle gehörten, bis sie sich dem Größeren Clan verpflichteten. Meinen
hantau
kann man von hier aus nicht erkennen, aber du wirst ihn später sehen.«
    Danior nickte. »Wie groß war euer Familienclan, bevor ihr euch dem Größeren Clan angeschlossen habt?«
    »Die Magadaw? Wir brachten siebenunddreißig Männer und achtundfünfzig Frauen in den Größeren Clan ein. Das war vor fünf Jahren.«
    »Warst du einer von den Männern? Warst du schon so alt, als euer Clan sich anschloß?«
    »Nein, ich habe mein erstes Gelöbnis vor zwei Jahren abgelegt, zum Clan-Ruf im Herbst. Und beim morgigen Clan-Ruf werden wir alle unser Gelöbnis erneuern. Das ist anläßlich jeder Jahreszeit üblich.«
    Danior schaute auf die Siedlung in der Ferne. »Hat sich jemals jemand entschlossen, es nicht zu erneuern?«
    Rezni schnaubte verächtlich. »Bei jedem Clan-Ruf gibt irgendeinen, der seinen Mund bedeckt, wenn das Versprechen abgenommen wird. Dann muß der Viir-Nega ihm eine private Audienz und ein privates Versprechen zugestehen.
    »Sie verschwinden nicht einmal sofort? Gehen weg?«
    »Wohin sollen sie denn gehen? Wo bekämen sie Scheiben her, um neue
han-taus
zu bauen? Die Schmelzöfen sind hier. Die Glashütten sind hier. Niemandem ist es erlaubt, Scheiben von Pan-Vi fortzuschaffen. Sie werden nur vernichtet, zerbrochen von den Männern der Kleinen Clans.«
    »Und niemand möchte wieder in einem Zelt wohnen?« ,
    »Niemand möchte mehr in die alten Bräuche zurückfalle egal, wie sehr sie auch jammern«, stellte Rezni fest.
    Keva lauschte dem Gespräch geistesabwesend, schaut auf die entfernten Gebäude und wünschte sich, etwas anderes als diese alles durchdringende Taubheit zu fühlen. Wen der Viir-Nega ihr Vater war, so lebte er dort hinter den Glas scheiben, die in der Ferne glitzerten. Sie wollte ihn sehe noch vor dem Schlaf sehen. Dann wäre ihre Suche beendet.
    Aber auch, wenn der Viir-Nega nicht ihr Vater war, wollt sie ihn dennoch treffen. Und dann würde sie wissen, daß si diese Reise nicht hätte unternehmen müssen. Daß sie kein Blutgischt hätte sehen müssen. Keinen Sandwirbel entstehen lassen und das lebendige Fleisch fünf schreiender Clanmänner nicht von ihren Körpern hätte schleifen müssen.
    Ihr war übel, und sie blieb sitzen, den Kopf auf die Knie gelegt, bis Rezni und Danior bereit waren weiterzugehen.
    Nach dem Sonnenuntergang wurde es kühler, und Keva war froh, daß sie die dicken Kleider anhatte. Die Jährlinge hoben die Köpfe und trotteten jetzt flotter daher und schnaubten im Chor. Sie wanderten die Anhöhe hinab, und die Landschaft veränderte sich, Sandverwehungen wechselten mit festgebackenem Boden. Bald erreichten sie eine so lide Wand aus dichtgewachsenen, hohen Sträuchern, an jedem Zweig prangten lange Dornen.
    »Unser Schutzlabyrinth«, erklärte Rezni. »Die Männer der Kleinen Clans haben es niedergebrannt, aber wir wässerten es mit Wasser aus unseren Brunnen, und jetzt wächst es wieder. Wir haben auch neue Wege geschnitten. Tretet immer in meine Fußstapfen. In dieser Jahreszeit sind die Dornen am giftigsten.«
    Er schritt voran und suchte sich einen Weg durch das dornige Gestrüpp. Die Jährlinge betraten nur widerwillig das Labyrinth und blickten mißmutig an den Pflanzenwänden links und rechts empor. Einer versuchte, an den öligen

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