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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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wollte allein gehen«, sagte er, »das stimmt. Weil der Ort, an den ich gehe, ... gefahrvoll ist. Es mag sein, daß ich zurückkomme; es mag aber auch anders sein. Ich verstehe es nicht ganz. Ich werde es erst verstehen, wenn ich es gesehen habe. Ich möchte dich nicht verraten, wie ich die anderen
    verraten habe.«
    »Mich nicht verraten?« Sie sah ihn verständnislos an, von diesen Worten überrumpelt; von dem harten Unterton, den sie in seiner Stimme verursacht hatten, und von dem Schmerz, den sie auf seinem Gesicht hervorgerufen hatten.
    Und seine Hände – sie wollte diese Hände nicht ansehen. Wenn die Fingernägel Wunden in sein Fleisch schnitten, wollte sie es nicht sehen.
    »Ich verriet meiner Mutter, indem ich geboren wurde, als sie Winterschlaf hielt. Ich verriet Komas, indem ich ihn nicht auf den Berg zurücktrug ...«
    »Du konntest nicht zu ihm gelangen«, sagte sie verwundert. Wie konnte er sich deswegen grämen? Oder gar wegen seiner Geburt?
    »Ich verriet ihn. Aber dich werde ich nicht verraten. Wenn nur einer von uns nach Brakrath zurückkehren sollte, wirst du es sein.«
    »Nein ...« sagte sie unwillkürlich. Das war ein Gedanke, den sie nie an sich hatte herankommen lassen. Und sie würde ihn sich auch jetzt nicht gestatten.
    »Doch. Niemanden auf Brakrath kümmert es, daß ich fort bin. Und niemand wird mir zuhören, wenn ich zurückkomme; nicht, wenn ich allein komme. Ich bin ein Winterkind und ein Jäger; keine Person, der man zuhört.
    Du aber bist die Tochter einer Barohna. Deine Mutter, dein Vater, alle Menschen vom Terlath-Tal warten darauf, daß du wiederkommst. Wenn du es tust, werden sie dir zuhören. Sie werden lauschen, wenn du ihnen erzählst, was du gesehen hast, was du weißt, was du erfahren hast.
    Ich habe dich zu meinem Lehrling gemacht. Ich habe dir die alten Worte mitgeteilt. Jetzt mußt du sie als deine Prüfung betrachten. Du mußt meinen Anweisungen folgen, weil ich dein Gildenmeister bin; du mußt mich allein gehen lassen.« »Du nennst dich meinen Meister?« fragte sie überrascht; sie war nicht sicher, ob sie über seine Worte eher verwirrt oder erschrocken war.
Wenn nur einer von ihnen zurückkehren sollte ...
    »Du hast darum gebeten, mein Lehrling zu werden. Du hast bestimmten Bedingungen zugestimmt. Eine davon ist, daß du auf mich hörst.«
    Ja, sie hatte sich ihm in die Lehre gegeben, und er hatte sie gewarnt, daß es Bedingungen gäbe; und sie hatte gelacht. Jetzt hob sie ihre bebenden Hände an die Schläfen und sah ein, daß sie nicht hätte lachen dürfen. Nicht, wenn Juaren von seiner Gilde sprach. Die Gilde war seine Familie, sein Tal, sein Leben; denn zu viele Jahre lang hatte er nichts anderes gehabt.
    Langsam atmete sie tief aus, während sie versuchte, eine Erwiderung zu formulieren, die er verstehen würde. »Also gut. Ich habe zugehört«, sagte sie schließlich. »Aber du hast eine Palasttochter zu deinem Lehrling gemacht, Juaren. Nur eine Palasttochter. Ich bin hierher gekommen, um meine Prüfung abzulegen; und wenn mir das nicht gelingt, werde ich immer eine Palasttochter bleiben. Ich werde niemals mehr sein, ganz gleich, wie viele Gelübde ich ablege.«
    »Du bist schon jetzt mehr als das«, sagte er, ohne zu zögern.
    »Es mag sein, daß du mich für mehr hältst. Mag sein, daß Verra es ebenfalls tut. Aber ich tue es nicht«, beharrte sie. »Wenn ich mich meiner Herausforderung nicht stelle, wenn ich mich im Bett verkrieche, während du erkundest, was aus Birnam Rauth geworden ist, werde ich für den Rest meines Lebens ein Kind sein. Ich werde niemals jemandem von den Dingen berichten, die wir gesehen haben. Ich werde nie meine Stimme erheben. Ich werde niemals irgend jemanden aufwecken. Es wird nicht meine Aufgabe sein, derartige Dinge zu tun. Denn ich werde niemand sein; so sicher, als hätte ich nie den Palast meiner Mutter verlassen. Und dann wirst du mich in Wahrheit verraten haben.«
    Die letzten Worte sprach sie nur widerstrebend aus; ihr war, als setze sie ihm das Messer auf die Brust. Denn sie verstand ihn heute nacht besser als je zuvor. Sie verstand, wie bedingungslos seine Treue war, wenn er sie einmal gelobt hatte; und wie ernst es ihm damit war, diese Treue nicht zu
    verraten.
    »Nein.«
    »Doch. Du willst mich beschützen. Aber wie kann ich etwas anderes sein als ein Kind, wenn ich es zulasse? Ich möchte wissen, was deine Seide dir erzählt hat. Ich möchte wissen, wohin du gehst. Und ich möchte dich begleiten.« Das waren

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