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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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den Sithis. Dann rannte er los. »Sie versuchen, die Seide zu fangen.«
    »Warte!« rief sie in Panik. Aber die Sithis waren fort, sie waren in die Schatten der Morgendämmerung gerannt.
    Plötzlich war Juaren ebenfalls fort, ohne Vorwarnung. Reyna erstarrte und bemühte sich zu begreifen, was vorgegangen war. Dort in den Bäumen war eine freie Seide und sang ein wütendes Lied. Die Sithis waren hinter ihr her, und Juaren hatte sich ihnen angeschlossen. Und jetzt war sie hier allein; und ihr war, als hätte sie die Herrschaft über ihre Beine verloren.
    Sie griff nach der Sternenseide an ihrer Taille. Sie tastete an den Kontrollknöpfen ihres Schwebers herum. Langsam und ohne begriffen zu haben, was geschah, entfernte sie sich von dem Baum, der seinen Schatten über sie warf, und schlug die Richtung ein, in der die anderen verschwunden waren. Die Dunkelheit der Nacht war dem frühen Morgengrauen gewichen. Das fremde Zwielicht, die drohend aufragenden Bäume und die tiefen Schatten in ihrer Umgebung vermittelten Reyna den Eindruck von Unwirklichkeit, als sie sich ihren Weg durch den Wald bahnte. Sie kam sich vor, als müsse sie sich einen Weg durch einen Traum ertasten und versuchen, seine Symbole und seine Bedeutung zu erraten, während sie noch schlief.
    »Juaren!« Ihre Stimme schien nicht zu ihr zu gehören. Juaren!«
    Da erklangen andere Stimmen und übertönten ihren Schrei. Schrille Stimmen, ärgerliche Stimmen ... Reyna erschauerte erneut, der Schock lähmte sie augenblicklich. Die Kreatur, die sie am Morgen im Schlaf überrascht hatte, der Spinner ... Sie hörte Dutzende von ihnen von den Bäumen kreischen. Und der Lärm kam aus der Richtung, die Juaren eingeschlagen hatte. Hatten die Sithis die Spinner aufgeschreckt? Oder Juaren?
    Waren es überhaupt die Stimmen der Spinner? Schrien die Leibwächter auch so? Birnam Rauth hatte behauptet, daß sie nur Spinner mit Stacheln wären.
    Reyna lief weiter. Sie lief in die unwirkliche Blässe des frühen Morgens. Lief an den uralten Bäumen vorbei, und ihr Modergeruch ließ ihr beinahe den Atem stocken. Sie lief, bis sie sich auf einem Platz wiederfand, an dem die Bäume so alt waren, so moosbewachsen, ihre Stämme derart mit Höhlungen übersät, daß sie sich in einem Alptraum zu befinden glaubte.
    Vielleicht war es tatsächlich ein Alptraum. Denn jetzt erblickte sie die Kreaturen, die da schrien, und es waren keine Spinner. Sie waren nicht größer als die Spinner. Sie waren nicht weniger plump und ebenso kindhaft. Aber sie wedelten mit hornigen Stacheln in der Luft herum, ihre Gliedmaßen schwollen im Zorn an und bebten, ihre Augen waren leer und bösartig zugleich. Reyna konnte durch ihre Stimmen kaum mehr den höhnischen Gesang der Seide hören.
    Sie konnte kaum den Schrei der erwachsenen Sithi hören. Aber die Sithi schrie wahrhaftig. Reyna griff nach einem Halt, starrte mit halbblinden Augen umher und versuchte, eine Erklärung für das Geschehen zu finden.
    Die flüchtige Seide – sie konnte sie jetzt deutlicher sehen; sie war ebenso blutrot wie ihr Lied – hing an einem verdorrten unteren Ast eines der uralten Bäume. Das Sithijunge raste den Baumstamm hinauf, mit blitzenden Augen, die Ohren flach an den Kopf gelegt, die Zähne zu einem gierigen Grinsen gebleckt.
    Aus den Höhlungen des Baumes quollen Leibwächter, ebenso aus den Höhlen in den benachbarten Bäumen, und sie kreischten und schwangen ihre Stacheln.
    Die erwachsene Sithi kroch auf dem Waldboden und schrie derart peinvoll und klagend, wie Reyna es nie zuvor gehört hatte. Als ihr einfiel, was der Stachel eines Leibwächters nach Birnam Rauths Aussage aus einem Blankäugigen Jungen machen konnte, verstand Reyna die Qual der älteren Sithi. Es griff auch ihr ans Herz, machte ihr das Atmen schwer und ließ ihren Magen sich verkrampfen.
    Sie hatte keine Ahnung, weshalb die rote Seide frei flog und weshalb das Sithijunge sie jagte. Aber sie wußte sicherG daß sie hier nicht stehen bleiben und zusehen konnte, wie das Junge gestochen wurde. Und sie konnte nicht tatenlos zuschauen, wie sich die ältere Sithi bei dem Versuch opferte, das Junge zu verteidigen.
    Beinahe ohne ihr Dazutun berührte Reyna die Kontrollen ihres Antischwereaggregates. Erst als sie sich in die Luft erhoben hatte, bemerkte sie, daß Juaren bereits in den nahen Schatten schwebte und mit erhobenem Spieß die Leibwächter zurücktrieb, die über ausladende Zweige der Seide entgegen krabbelten. Die kleinen Geschöpfe schwangen

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