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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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ihre Stacheln wie rasend, ihre dreifingrigen Hände waren geballt und die Zehen um die dick bemoosten Zweige gekrümmt. Juaren streckte den Spieß vor sich aus und hielt einen sicheren Abstand zu den schwingenden Stacheln, hieb nach ihren prallen Beinchen und trieb sie zurück.
    Aber es würde ihm nur für eine gewisse Weile gelingen. Das konnte Reyna erkennen. Viele Dutzende der Kreaturen drückten gegen die vorderen und stießen sie vorwärts. Wenn eines der Geschöpfe den Halt an dem schlüpfrigen Moos verlor und fiel, schienen es die übrigen gar nicht zur Kenntnis zu nehmen. Sie drängten nach vorn; schon griffen sie mit den dreifingrigen Händen nach dem Spieß ...
    Reyna hatte keine Möglichkeit, Juaren etwas zuzurufen; keine Chance, sich ihm verständlich zu machen. Und was hätte sie rufen sollen, da die erwachsene Sithi jetzt plötzlich aufsprang und ihre Krallen in den Baum schlug, das Fell dampfend, die Augen zu einem schmalen Schlitz geschlossen, die Ohren flach angelegt? Juaren war sicher. Selbst, wenn er den Leibwächtern nicht standhalten konnte, brauchte er nur aus der Reichweite ihrer Stacheln zu schweben. Die Sithi dagegen hatte keinen Schweber. Während sie ihr beim Klettern zusah, handelte Reyna aus einem Impuls, ohne nachzudenken. Sie betätigte die Kontrollen und stieg rasch zu dem Ast empor, an dem die Seide hing.
    Die Seide hatte sich in einem Gewirr verdorrter Zweige verfangen und sang herausfordernd. Sie brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um Reynas Annäherung zu bemerken und ihre Absicht zu erraten, als sie nach ihr griff. Aber zu spät; sie bemühte sich hastig, sich aus dem verflochtenen Astwerk zu befreien und fortzuflattern. In der Eile verfing sie sich nur um so mehr.
    Und Reyna erhaschte sie. Sie schloß die Finger um die Seide und war sogleich verblüfft über die Kraft, die sie an ihr bemerkte, über den starken Willen. Die Seide wand sich in ihrem Griff und schlug mit seidenen Armen nach ihr, als sie sie vom Ast freizerrte. Instinktiv hielt Reyna die Seide auf Armlänge von sich entfernt, hielt sie fest in der Faust, in der Angst, sie würde versuchen, die Arme um ihren Hals zu schlingen und sie zu würgen.
    Das Sithijunge blinzelte in blanker Ungläubigkeit zu ihr hinauf. Reyna ließ sich rasch sinken, um dem Jungen keine Gelegenheit zu dem Verdacht zu geben, daß sie beabsichtigte, ihm die Beute zu stehlen, und um keinen zweiten Angriff herauszufordern. Indem sie einen achtungsvollen Abstand zu den scharfen Krallen einhielt, bot sie ihm die Seide dar.
    Gelbe Augen verengten sich mißtrauisch. Gesichtsmuskeln erschlafften und zogen sich wieder zusammen. Dann ergriffen krallenbewehrte Finger die Seide so blitzartig, daß Reyna nicht einmal dazu kam zurückzuzucken. Das Junge drehte sich um und kletterte den Baum hinab – wobei es die Seide fest umklammert hielt – und sprang gleichzeitig mit der älteren Sithi auf den Boden.
    Als Reyna den Schrei hörte, dachte sie zuerst, er käme von der älteren Sithi, denn sie wirbelte herum, sobald sie den Boden berührt hatte, und ihre Qual wandelte sich in Zorn. Sie schlug dem überraschten Jungen ins Gesicht, und als es floh, setzte sie ihm in großen Sprüngen nach, hieb und biß nach ihm. Die Muskeln unter ihrem schweißdampfenden Fell schwollen an, während sie dem Jungen zwischen den Bäumen nachjagte.
    Der Schrei hielt noch eine Weile an und verstummte dann, Reynas Fuße berührten den Boden, sie wandte sich um und sah hinauf. Ihr Atem stockte bei dem Anblick, der sich ihr bot. Juaren war ihr nicht gefolgt. Er schwebte noch immer in der Luft. Der Spieß war ihm aus der Hand gefallen, und er schlug vergebens gegen die weißen Fäden, die sich ihm um Arme und Beine gelegt hatten.
    Weiße Fäden, die von den kreischenden Leibwächtern ausgestoßen wurden. Sie schossen die klebrigen Taue aus allen Richtungen auf ihn ab, und durch das unwillkürliche Schlagen seiner Glieder wickelte er sie fest um sich. Reyna starrte gelähmt hinauf, nur eines einzigen Gedankens fähig.
Birnam Rauth hatte sie nicht hiervor gewarnt.
    Aber Birnam Rauth hatte sich an so wenig dessen erinnert, was ihm im Herzen des Waldes geschehen war. Er hatte sich nicht daran erinnert, seiner Bewegungsfreiheit durch Fäden klebriger Seide beraubt worden zu sein. Er hatte sich nicht erinnert, gekämpft und bewußtlos geworden zu sein. Er hatte sich nicht erinnert, von den Leibwächtern eingesponnen und rasch am oberen Stamm eines bemoosten Baumes festgebunden worden

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