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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Juaren sie beim Arm und führte sie in die Schatten zurück, und sie nahm verwundert zur Kenntnis, daß sie bebte.
    Diese Reaktion ging rasch vorüber, obwohl sich Reyna noch oft über die Schulter umblickte, als sie ihren Weg zwischen den Bäumen hindurch fortsetzten. Und sie lauschte dem Tappen der Pfoten.
    Bald wurden die Schatten undurchdringlich dicht, und die Bäume wuchsen eng beieinander, ihre Stämme wurden dicker und trugen häufiger tiefe Höhlen. Die Luft roch auch anders; feuchter und modrig, als stünden die Bäume zu dicht, um dem reinigenden Wind Durchlaß zu gewähren.
    »Dein Spieß – kann ich ihn haben?«
    Seit ihrer Begegnung mit den Sithis hatten sie nicht mehr gesprochen. Reyna zögerte und händigte ihm die Waffe nur ungern aus. »Was willst du tun?«
    Statt einer Antwort begann Juaren, leicht an die hohlen Stämme zu schlagen, während sie sich ihren Weg zwischen den Baumgiganten bahnten. »Wenn es hier etwas gibt ...«
    »Juaren ...« sagte sie ängstlich; dann unterdrückte sie ihren Einwand. Falls hier etwas war, mußten sie es finden. Ganz gleich wie. Und hatte sie eine bessere Idee als er?
    Und dort war etwas. Ganz nahe. Als Juaren an die Bäume klopfte, hielt Reyna den Atem an und fühlte die Gegenwart von etwas. Sie spürte in der lastenden Luft ein schlagendes Herz. Sie fühlte ein Lauern in den Schatten. Sie spürte eine Vorahnung.
    »Es ist beinahe Morgendämmerung«, sagte Juaren. Der Himmel hatte fast unmerklich angefangen, sich zu erhellen. »Bald.«
    Ein Geschöpf, das
nur
zweimal das Tageslicht erblickte . . .
Wann kletterte die Ungesehene aus ihrem Knollenschacht, um ihre Lebensseide zu spinnen und zu sterben? Wann machte sich ihre Nachfolgerin, die sie sorgsam genährt hatte, auf, um in den Baum zu kriechen, in dem sie ihren eigenen Brutschacht anlegen würde? War jetzt die Jahreszeit dafür? Hatte Birnam Rauth es erwähnt? Reyna konnte sich nicht erinnern.
    »Juaren ...« Bevor sie fragen konnte, schlug Juaren leicht gegen einen der betagten Giganten – und sprang zurück, wobei er sie mit sich zerrte, als ein schwer bestimmbarer Schatten aus dem hohlen Baum strömte und durch die Luft flatterte. Er wirbelte kurz um sie und schlug sie mit seidenen Armen, als wäre er zornig. Dann rauschte er fort, und als er sich durch die Bäume erhob, begann er zu singen; laut, fast grimmig.
    Reyna ließ sich erschrocken mit dem Rücken gegen einen moosbedeckten Baumstamm fallen. War es eine Lebensseide? Hatten sie eine Lebensseide in ihrem Versteck aufgescheucht? Wie hätten sie das entscheiden können? Birnam Rauth hatte nur Meisterseiden und Singseiden gesehen, und die geistlosen Seiden, die in den Nestbauten der Sithis lagen und niemals sangen. Sie wußte, daß eine Singseide nicht durch die Luft rauschen konnte, wie diese es getan hatte, die jetzt zurückkam und ihnen wütend in die Gesichter flatterte und dann wieder hoch oben im Blattwerk der Baumkronen verschwand. Zudem hatte sie nie eine Singseide so laut oder unwillig singen gehört. Sie starrte hinauf. Es war nicht möglich zu bestimmen, ob die Seide eine Farbe hatte, aber ihre Stimme klang wie ein blutroter Zornesausbruch in der Stille des Waldes.
    In der Stille des Waldes? Reyna hatte nicht die Zeit, ihr Erschrecken allmählich abklingen zu lassen. Juaren hatte sie schon wieder am Arm gefaßt und sie mit sich gegen den Stamm des nächststehenden Baumes gezogen. Und dann war um sie der Lärm von rennenden Füßen und Rascheln im Gebüsch. Reyna drehte sich um und starrte auf die beiden Sithis, die durch die Bäume geschossen kamen, auf allen vieren, in langen Sätzen, elastisch und kraftvoll. Die ältere Sithi trug die blaue Seide um die Taille; die losen Enden flatterten hinterher. Die Seide sang leise während des Laufes.
    Das Junge sprang verspielt zur Seite, als es Reynas und Juarens ansichtig wurde, und zischte, bevor es weiterlief. Die ältere unterbrach ihren Lauf kurz, bleckte die Zähne und knurrte unmißverständlich. Reynas Finger waren so heftig in die Borke des Baumes gekrallt, daß sie das Moos unter den Nägeln spürte. Das Antischweregerät auf dem Rücken hinderte sie daran, sich flach gegen den Baum zu drücken.
    Das Antischweregerät …
Schließlich hatten sie Schweber. Wie hoch konnten die Sithis wohl springen? Reyna berührte die Regulierer des Gerätes, die sie sich um das linke Handgelenk geschnallt hatte. »Juaren ...«
    »Die Seide.« Er hatte sie aufgescheucht. Kurz sah er der Seide nach, dann zu

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