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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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mit den alten Methoden zu brechen, obwohl ich in bezug auf andere Dinge längst mit ihnen gebrochen habe. Jetzt glaube ich, was Verra mir sagt. Jetzt habe ich die Absicht, zu tun, worum dein Vater mich gebeten hat. Ich untersage dir, die Probe abzulegen. Wie viele Töchter muß ich verlieren, bevor ich meiner Freundin glaube, daß sie mich nicht belügt?«
    Reyna entsetzte sich vor dem schweren Leid in den Worten ihrer Mutter. Also glaubte Khira, daß sie den Stein nicht hatte, daß sie nicht hart war. Keine kristalline Substanz, die den barohnalen Steinen eine Reaktion entlocken würde. Warum aber fühlte sie sich dann, als hätte sich ihr Herz völlig in Stein verwandelt? Oder war es zu Eis geworden? Sie spürte Kälte, als sie daran dachte zu tun, was ihre Mutter vorgeschlagen hatte; nämlich nichts. Natürlich gab es Palasttöchter, die ihre Prüfung niemals ablegten. Sie vegetierten ihr Leben lang in den Palästen ihrer Mütter, kindartige Gespenster ohne eigentliches Heim und ohne Sinn. Aber sie konnte nicht so leben. Lieber ginge sie, wie Aberra gegangen war. Und wie Tanse.
    In dieser Art spannen sich ihre Gedanken weiter. Zugleich verkrampften sich ihre Hände schmerzhaft, und das Herz raste bedrohlich. Es fühlte sich an, als wollte es ihr aus der Brust springen.
    War es das, was Aberra gefühlt hatte, fragte sie sich, als sie mit dem Spieß in der Hand den Berg erstiegen und gewußt hatte, daß sie nicht überleben würde, ganz gleich, was sie anstellte? Verzweifelt fragte sich Reyna, von welcher Bestie Aberra getötet worden sein mochte. Einem schwerfälligen Breeterlik, der Säure aus seinem Unterleibsschließmuskel versprühte? Einem Minx, jenem rotäugigen und verspielten Raubtier, das auf zwei Beinen ging? Oder war Aberra auf der Suche nach Schutz in eine Höhle gekrochen und langsam gestorben, an Entkräftung? Vielleicht würde eines Tages jemand ihre Spur finden. Dann würden sie es erfahren.
    Und was sie selbst anging – »Wenn du es mich nicht versuchen lassen willst«, sagte sie mit harter Stimme, »wer soll dann den Thron einnehmen, wenn du ihn verläßt?«
    Sie konnte sich nicht erinnern, jemals so kalt zu ihrer Mutter gesprochen zu haben – oder so herausfordernd. Sie hatte es nie gewagt. Aber heute abend konnte sie sich nichts mehr verscherzen. Heute konnte sie alles aussprechen.
    Die Hände ihrer Mutter umklammerten die Armlehnen des Thrones. »Deine Schwester wird den Thron einnehmen«, sagte sie.
    Ihre Schwester? »Ich habe keine Schwester.«
    »Du wirst eine haben. Sie wird im nächsten Winter geboren. Sie ist bereits weit genug entwickelt, daß Verra mir sagen konnte, daß sie die nächste Barohna des Terlath-Tals wird.«
    Reyna trat einen Schritt zurück; fühlte die Zeit sich um sie zusammenballen und sie bedrängen. Es war weniger als vierzig Tage her, als sie Holzrauchnacht gefeiert hatten. Sollte ihre Mutter schon empfangen haben? Und Verra schon ihre Geräte an dem ungeborenen Kind ausprobiert haben? Reynas Gedanken und Reaktionen waren durch den Schock plötzlich so verlangsamt, daß sie sich kaum fähig vorkam, zu sprechen.
    Ihre Schwester. –
Juarens Kind. Juarens Kind lebte schon im Bauch ihrer Mutter; beanspruchte ihren Platz, ihre Aufgabe und ihr Leben.
    Denn jetzt sah sie beides davonrinnen: Aufgabe und Leben. Vor heute abend hatte sie sich vorgestellt, auf dem Berg ihr Leben zu lassen. Jetzt erzählte man ihr, daß sie nicht nur sterben würde, sondern daß ihr Tod zu nichts führen würde. Sie mußte gehen, ohne die Chance zurückzukehren.
    Oder sie konnte bleiben und ihrer Prüfung gar nicht erst entgegentreten. Reyna starrte sie alle hilflos an, ihre Mutter, Verra, Juaren. In den Augen ihrer Mutter und in denen Verras sah sie Schmerz. Aber sie verstand nicht, was sie in Juarens Blick sah. Für einen beunruhigenden Moment schien er fast, als verstünde er. Als verstünde er besser als einer der anderen, was sie fühlte. Aber wie sollte er verstehen? Sie sah keinen Grund dafür.
    Nach und nach verebbte der anfängliche Schock, und ihr Verstand fing wieder an, mit normaler Geschwindigkeit zu arbeiten und die verschiedenen Möglichkeiten abzuwägen, die ihr blieben. Viele waren es nicht. Sie untersuchte sie und wählte sich die einzige heraus, die ihr akzeptabel schien. Fiel denn niemandem auf, fragte sie sich, daß ihre Mutter ihr zwar verbieten konnte, auf den Berg zu gehen; daß sie aber nicht in der Lage war, sie davon abzuhalten? Hatte sie die Absicht, eine Wache vor

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