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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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ihrer Kammertür zu postieren? Sie gewaltsam einzusperren?
    Reyna war sicher, daß sie es nicht tun würde. Das Terlath-Tal wurde nicht auf diese Art regiert. Ihre Mutter vertraute auf ihre Autorität, um sie zurückzuhalten. Ebenso wie Verra, fiel ihr ein, sich auf die Vernunft verließ.
    Aber Autorität hatte zur Zeit keine Macht über sie. Und die Vernunft konnte sie nicht aufrechthalten, wenn alles um sie herum zerschmettert war. Langsam blickte sie an sich hinab; die zarte Figur, die Zerbrechlichkeit ihrer Hände und Gelenke. Sie war leicht und dünn; nur wenig größer als ein Kind.
    Wie lange konnte sie in diesem Zustand leben? Hundert Jahre? Zweihundert, gefangen in der unreifen Schale ihres Fleisches?
    Sie beantwortete ihre eigene Frage. Sie würde nicht länger leben als bis einen Tag nach dem Mittsommerfest. Dann würde sie die Genauigkeit von Verras Instrument auf ihre eigene Weise überprüfen. Sie hatte schon einen Plan fertig; was sonst war ihr übriggeblieben?
    Sicherlich keine Hoffnung.
    Bedächtig ließ sie den Blick über die anderen wandern; dann sagte sie mit leiser Stimme: »Ich habe den Tag erwählt, an dem ich auf den Berg gehen werde, Mutter. Und das ist der Tag, an dem ich gehen werde.«
    Sie war überrascht, wie wenig ihre Stimme bebte.
    Sie war gleichermaßen überrascht über die Gelassenheit, die ihr zu Gebote stand, als sie sich umwandte und den Thronraum verließ. Ihre Stiefel klapperten auf den polierten Fliesen. Aber natürlich war ihre Ruhe nur äußerlich. In ihrem Inneren hatte sie bereits angefangen zu beben, als sie auf den Korridor gelangt war. Ihre Beine wurden schwach, der Kopf fühlte sich leicht an. Sie zwang sich, weiter den Flur hinab zu gehen, mit durchgedrücktem Rückgrat und Füßen, die vom harten Steinboden schmerzten.
    Sie gab ihrer Schwäche nicht nach, bis sie den oberen Korridor erreichte und in die Nähe ihrer privaten Gemächer kam. Dort sackte sie gegen die stengelbewachsene Wand; ihr Atem war schwer von ungeweinten Tränen.
    »Tochter ...« Der Hallenaufseher kam heran und sprach scheu, sein verhutzeltes Gesicht war beunruhigt.
    »Nichts. Es ist nichts«, sagte sie, erhob sich mühsam und ging in ihr Gemach. Eine lange Weile stand sie mitten auf dem Boden und starrte die steinernen Wände an, wie es so viele Palasttöchter vor ihr getan hatten. Sie konnte die Angst beinahe fühlen, die sie ausgestanden hatten, nachdem sie den Termin ihrer Prüfung festgesetzt hatten. Bestimmt war es von Generation zu Generation das gleiche. Aber wenigstens war ihnen der sinnlose Ärger erspart geblieben; die hilflose Bitterkeit, die sie heute abend fühlte. Sie legte sich aufs Bett; Tränen rannen heiß ihre Wangen hinab.
    Nichts.
Verra hatte sie mit ihrem Meßgerät zu nichts werden lassen. Ihre Mutter hatte sie mit ihrem Befehl zu nichts werden lassen. Juaren hatte sie zu nichts werden lassen, indem er die nächste Barohna des Terlath-Tals gezeugt hatte. Nun war es Sache einer beliebigen Bestie des Berges, den winzigen Rest zu vernichten, der von ihr noch vorhanden war. Sie würde auf den Berg gehen, an dem Tag, zu dem sie es sich vorgenommen hatte.
     

4 Reyna
    »Tochter! Tochter, die Barohna fragt nach dir. Sie möchte etwas mit dir besprechen.«
    Ächzend versuchte Reyna, den eindringlich geflüsterten Worten und den Fingern an ihrer Schulter zu entkommen. Ihre Mutter wollte mit ihr sprechen? Hatte sie nicht heute abend schon genug gesagt? Reyna drehte sich auf die Seite und kniff die Augen fest zusammen.
    »Nein«, klang ihr Protest gedämpft unter der Bettdecke hervor.
    Nivan, der Laufbursche ihrer Mutter, seufzte bedauernd und tippte ihr erneut auf die Schulter. »Tochter, sie hat mich angewiesen, dich zu ihr zu bringen.«
    »Nein«, wiederholte Reyna; aber sie wußte, daß es nutzlos war. Wenn sie Nivan nicht folgte, würde ihre Mutter einen zweiten und dritten Laufburschen schicken. Reyna rollte sich aus den Decken.
    »Es ist noch dunkel, Nivan«, sagte sie und sah zum Fenster.
    Nivan nickte kläglich. »Bald wird Kimiras Nacht sein.« Ja, Kimiras Nacht, die Zeit, da beide Monde untergegangen waren, da die Finsternis total war; die Zeit, während derer einst ein junges Mädchen aus den Steinhallen geträumt hatte, sie hätte sich selbst verloren, und in die Felder gegangen war. Sie war in ihrem Bett erwacht, aber am Morgen hatten Feldarbeiter ihre gefrorenen, schimmernden Tränen auf dem Acker gefunden – so erzählte man sich jedenfalls in den Halden. In den

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