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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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werden mußte. Sie beschleunigte ihren Schritt und fand sich kurz darauf am Eingang des Eßbereichs, wo sie und Verra am Vortag gegessen hatten. Und genau wie gestern war der Saal voller Leute. Reyna blieb im Eingang stehen und ließ ihren Blick schweifen. Sie erblickte Leute, die sie schon gesehen hatte, oder andere, die ihnen stark glichen, aber Verra oder Juaren sah sie nirgends.
    Aber was machte das schon; viele Leute aßen allein. Sicher konnte sie lernen, wie man Essen von den hohen Konsolen im Hintergrund der Halle erhielt; schließlich hatte sie auch gelernt, wie sie die Bänder einlegen mußte.
    Aber bevor sie den Speisesaal betreten konnte, näherte sich ihr eine blau uniformierte Frau und streckte befehlend die Hand aus.
    »Reyna Terlath, komm«, sagte sie holprig, als wären die brakrathischen Worte ungewohnt für ihre Zunge. »Komm
    mit mir!«
    Reyna zögerte. War es das, weshalb sie angewiesen worden war, die ID-Plakette zu drücken? Damit man einen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort auf dem Schiff erhielt? Unbewußt strich sie über sie Singseide und glättete sie über ihrem
    Bein.
    »Wohin soll ich mit dir gehen?« erkundigte sie sich; aber sie vermutete schon, daß sie keine Erklärung erhalten würde, daß die Frau nur gelernt hatte, die wenigen Worte auf brakrathisch nachzuplappern.
    »Komm mit mir«, wiederholte die Frau. »Reyna Terlath, komm mit mir.«
    Reyna zuckte mit den Schultern und folgte ihr.
    Die Frau führte sie an uniformierten Wachen vorbei über Flure, die sie noch nicht gesehen hatte. Die Wände waren mit geometrischen Mustern von verwirrender Brillanz bemalt.
    Aber jedesmal, wenn Reyna durch eine offenstehende Tür blickte, sah sie Leute über Schreibtische gebeugt und ohne Glanz in den Augen.
    Schließlich deutete die Frau an, daß Reyna in eine Tür auf der rechten Seite eintreten sollte. Sie folgte ihr und fand sich in einem kleinen, unordentlichen Raum, der mit Regalen, einem Tisch und Stühlen vollgestellt war. Überall war Papier verteilt und lag in hohen Stapeln herum, und die Wände waren mit gedruckten Dokumenten behangen, die sie nicht entziffern konnte. Da sie nicht wußte, was sie sonst tun sollte, setzte sie sich auf einen der Stühle und sah sich um.
    Etwas an dem Raum war vertraut, aber sie wußte nicht genau, was es war. Seine geringe Größe? Seine Unordnung, die so wirkte, als verhindere der Druck der anfallenden Arbeit, daß man Ordnung schaffen konnte?
    Sie hörte die Tür gehen und drehte sich um, dann errötete sie, als Juaren den Raum betrat. Er sah sie in flüchtiger Überraschung an und zögerte sichtlich, bevor er sich auf den Stuhl setzte, der am weitesten von ihrem stand. Er nickte ihr zu und starrte konzentriert auf seine Hände, ohne etwas zu sagen.
    Auch sie wußte nicht, was sie sagen sollte, obwohl jetzt alles viel vertrauter geworden war – zwei Menschen, die man in einen kleinen, vollgestopften Raum geführt und dort allein gelassen hatte. Sie sackte auf ihrem Stuhl zusammen und starrte in sein verschlossenes Gesicht. Sicher beobachtete er, wie sie sich in dieser Situation verhielt. Er mußte in einem besiedelten Tal gelebt haben, bevor er in die Berge gegangen war. Er wußte, wie man Meinungsverschiedenheiten beilegte, wie Mißverständnisse aufgeklärt wurden. Bestimmt war ihm klar, daß sie hergebracht worden waren, damit sie miteinander redeten.
    Aber was war zu sagen? Wie anfangen? »Ich glaube«, sagte sie versuchsweise, »wenn wir nicht sprechen, wird Verra kommen und zwischen uns vermitteln. Vermutlich ist sie schon hier irgendwo.«
    In einem anderen Raum in der Nähe oder auf dem Flur, bereit, einzutreten und die Rolle einer Schiedsrichterin zu spielen, wenn sie ohne sie nicht würden reden können.
    Juaren nickte und hörte nicht auf, seine Hände anzustarren. Seine Knöchel waren ganz weiß geworden.
    Als sie nichts mehr sagte, sprach er; mit einfachen, mühsamen Worten, als spräche er gegen einen Widerstand: »Ich weiß nicht, was wir einander zu sagen haben. Es ist lange her, seit wir uns trafen.«
    Die Bitterkeit in seinen Worten überraschte sie nicht. Es war viele Tage her – viele Tage des Schweigens. Sie hatten am selben Tisch gesessen, aber sie hatte ihm niemals Brot angeboten oder Nahrung aus seiner Hand entgegengenommen. Sie waren durch die Korridore geschritten, und sie hatte niemals gesprochen. Sie hatte von Anfang an erkannt, daß er sich vor Kränkungen fürchtete, aber sie hatte ihm nichts anderes angeboten.
    Und jetzt

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