Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
einfach zu sehr, um Nicht-Freunde zu sein. Der Mann hatte mir sogar seine Jacke gegeben, die Frau hatte mein Gesicht mit dem größtmöglichen zärtlichen Mitleid berührt, das sie sich in Anwesenheit des Alari herausnehmen durfte.
    Ich brauchte Hilfe. Ohne Hilfe wäre ich verloren.
    Aber würden sie dieses Risiko eingehen?
    Sie verstummten. Der Mann trat an mich heran. Schweigend zog er seine Schuhe aus und reichte sie mir. Dann zog er seine Hose aus …
    Freunde …
    Während ich mich anzog, knüpfte er ein längliches Paket von seinem Gürtel. Ich nahm auch das an mich. Es enthielt ein langes Messer.
    Freunde.
    Die Hosen waren mir etwas zu eng, und mit dem Verschluss kam ich nicht zurecht. Der Mann half mir, mich anzuziehen. Jetzt konnte man mich für ihn halten. Darauf hoffte ich jedenfalls.
    »Ich danke euch«, sagte ich. Selbst wenn sie meine Worte nicht verstanden, würden sie doch den Ton erfassen. »Danke.«
    Schließlich gab mir der Mann noch eine Pistole. Eine seltsame Konstruktion, ein dicker Griff, ein breites Bodenstück, ein kurzer Lauf, der in eine Halbkugel von rubinroter Farbe mündete. Der Mann entsicherte sie und legte sie mir mit größter Vorsicht in die Hand. Er zeigte auf den Abzug.
    »Ihr werdet Probleme bekommen«, bemerkte ich.
    In der Zwischenzeit hatte der Alte aus einer prall gefüllten Tasche ein Blatt Papier herausgeholt und einen komischen, primitiven Stift. Anscheinend handelte es sich dabei um ein Stück Graphit, das in eine Holzummantelung eingelassen war. Er zeichnete eine Skizze. Eine einfache und klar verständliche Skizze.
    Ein Kreis – das war meine Zelle. Die Linien, die von ihr wegführten – das waren die Tunnel zum Zimmer der Wache und in diesen Raum. Eine verzweigte Linie – das war der weitere Weg.
    Wenn der Maßstab stimmte, war es nicht sehr weit bis zu einem großen Raum. Und anscheinend musste ich dorthin.
    »Ich habe nichts, was ich euch zum Dank geben könnte«, sagte ich. »Aber wenn ich hier rauskomme …«
    Der Alte gab mir das Blatt und küsste mich auf die Stirn. Fast als segne er mich.
    »Die Waffe ist nicht nötig«, meinte ich. »Die Alari würden wissen, woher sie kommt.«
    Offenbar hatten die drei darüber auch schon nachgedacht. Der Mann fasste mich an der Hand und führte sie rasch an sein Gesicht. Fragend sah er mich an.
    »Ich will das nicht«, sagte ich. »Ich habe dich verstanden, aber ich will das nicht!«
    Sie warteten. Schließlich holte ich aus und schlug mit aller Kraft zu. Der Mann schwankte und presste beide Hände gegen das Gesicht.
    Ob die Alari nun glauben würden, ich hätte ihm die Waffe gewaltsam abgenommen?
    »Ich danke euch«, flüsterte ich. »Danke. Wir werden Freunde werden.«
     
    Die ersten drei Wendungen des Tunnels brachte ich ohne Probleme hinter mich. Dann erweiterte sich der Tunnel und mündete in einen dunklen Saal. Ich verlangsamte den Schritt.
    Es war sehr leise. Eine trügerische Stille. Eine nichtmenschliche Stille.
    Ich hob die Waffe, die ich geschenkt bekommen hatte. Ich hätte sie gern zunächst ausprobiert, wusste aber nicht, wie viel Munition sie überhaupt enthielt. Immerhin hatte ich ja noch das Messer, die Schnur und den Nachttopf. Ein reiches Arsenal …
    Der Saal war rhombisch und kaum beleuchtet, nur hier und da funkelten in den Wänden transparente Glaskörper. Außerdem wimmelte es in ihm von Alari. Nachtschwarze und fast weiße Wesen, die auf dem Boden lagen, vor einer Erhebung von sonderbarer Form. Gerade Linien akzeptieren diese Wesen anscheinend nicht. Die Erhebung erinnerte vage an eine Tribüne, aber auf ihr befand sich niemand.
    Was taten sie?
    Die letzten Minuten hatten mich mit unzähligen neuen Begriffen bereichert, so dass ich etliche Hypothesen formulieren konnte: Gebet. Erholung. Arbeit.
    Doch was spielte es schon für eine Rolle? Ich musste den Saal durchqueren, was auch immer in ihm vor sich ging.
    Die geschenkte Pistole würde wohl kaum über einen großen Energievorrat verfügen. Außerdem würde Alarm ausgelöst, sobald ich den ersten Schuss abgab. Ich nahm die Waffe in die linke Hand, mit der rechten packte ich den Metalltopf fester. Ein Ende der Schnur knotete ich an seinen Henkel, das andere an mein Handgelenk. Schwer seufzend betrat ich den Saal.
    Meine ganze Hoffnung gründete darauf, dass für die Alari alle Menschen gleich aussahen. Ich trug die Sachen des Experten, der kein Gefangener war. Vielleicht würde ich ja durchkommen.
    Die ersten zehn Schritt ging ich völlig ruhig. Ich

Weitere Kostenlose Bücher