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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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bereiten.
    Sie würden mir selbst alles sagen, was ich mir ausdenken könnte.
    »Erinnerst du dich noch, Niki, wie wir hier Regressor gespielt haben?«, fing Tag an. »Du hast dich in einem Hinterhalt versteckt und mit einem Armbrustpfeil Hans Barett abgeschossen! Katti hat dich danach den halben Tag durch den Park gejagt!«
    »Und hat sie mich erwischt?«, wollte ich wissen.
    »Ich glaub ja …«, antwortete Tag. »Weißt du das noch, Katti?«
    »Ich habe ihn erwischt – und ihn beinahe im See ertränkt«, brummte Katti. »Das war schon komisch, Nik, du bist beim Spielen sonst immer übervorsichtig gewesen!«
    »Die Natur hat Niki eine Neigung zu impulsivem Verhalten mitgegeben«, mischte sich hinter mir der Ausbilder ein. »Ich habe lange gebraucht, um ihm beizubringen, diese Anfälle zu unterdrücken.«
    Sie unterhielten sich noch über dies und das. Erinnerten sich an Spiele, Wettkämpfe, Kränkungen und Versöhnungen, was hier passiert war … was da … in der Nähe … in der Ferne …
    Aber in mir lösten all diese Erinnerungen nichts als Traurigkeit aus.
    Kindheit und Jugend waren mir gestohlen worden. Die Gegenwart voller Rätsel. Die Zukunft im Nebel.
    Wie sehr hatte ich mich nach Der Heimat gesehnt! Ich hatte gehofft, sie würde mir mich selbst zurückgeben. Aber Wunder gibt es nicht. Und diese Welt, die so gut und wohlgestaltet war, so warm und fröhlich, sie war mir fremd.
    Für immer fremd.
    Die Bäume lichteten sich, und wir gelangten zu den Gebäuden des Internats.
    Der Ort strahlte vor allem Ruhe aus. Die Gebäude waren sehr alt, aus unbehauenem Stein erbaut, der wahrscheinlich irgendwann einmal weiß gewesen, inzwischen aber nachgedunkelt war. Eine Kletterpflanze umrankte die Mauern, durch die grünen Stängel mit den vielen kleinen, orangefarbenen Blüten ließen sich gelbe und vertrocknete Blätter erkennen. Rund um die Fenster, die fast alle weit offen standen, wirkte die Pflanze recht mitgenommen, schienen Blätter und Blüten abgerissen. Aber natürlich …
    »Bin ich nachts gern durchs Fenster aus dem Internat geklettert?«, fragte ich, ohne mich an jemand Bestimmten zu wenden.
    Han und Tag sahen sich verlegen an.
    »Wir alle haben das gern gemacht«, gestand Han. »Erinnerst du dich daran?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete ich.
    Vor den Mauern waren Beete angelegt. Dort war gerade eine Horde Kinder in Shorts und T-Shirt beschäftigt. Sie jäteten Unkraut und gossen mit kleinen Gießkannen die Blumen. Als sie uns bemerkten, unterbrachen sie ihre Vorbereitung-zur-Arbeit und fingen an zu kreischen. Ihre Begeisterung richtete sich vor allem auf den Ausbilder Fed, doch auch wir kriegten ein paar fröhliche Hallos ab und wurden mit der Frage bestürmt, ob wir lange blieben.
    An Fed klebte sofort ein ganzes Dutzend Kinder. Er stand da, streichelte die zerzausten Köpfe, antwortete voller Ernst auf ihre Fragen und fragte die Kinder auch seinerseits etwas. Eine sehr anrührende Szene. Ein kleines Mädchen schaffte es allerdings nicht, zum Ausbilder vorzudringen, obwohl sie ununterbrochen in dem Versuch um ihn herumwuselte, den Kopf unter seine zärtliche Hand zu schieben. Als sie einsah, dass sie sich nicht zum Ausbilder durchkämpfen konnte, blieb sie stehen und sah uns beleidigt und finster an.
    Ich maß meinem Verhalten keine besondere Bedeutung bei. Ich lächelte der Kleinen einfach zu und streichelte ihr über den Kopf.
    Ganz kurz sah mich das Mädchen ungläubig an, bevor sie sich gegen mein Bein schmiegte, als verlange sie eine Wiederholung.
    Nach und nach ließen die Kinder von Fed ab und scharten sich um mich.
    Der Ausbilder und ich sahen uns schweigend an.
    »Das ist der zukünftige Ausbilder Nik«, verkündete Fed laut. »Und jetzt wieder an die Vorbereitung-zur-Arbeit! Oder wollt ihr etwa nicht, dass eure Ausbilder stolz auf euch sind?«
    Wir liefen an den widerwillig von uns ablassenden Kindern vorbei zum Hauseingang.
    »Du wirst ein guter Ausbilder«, sagte Fed leise. »Ich habe keinen Zweifel, dass du in zehn, zwanzig Jahren im Weltrat sitzen wirst. Aber überstürze nichts.«
    »Das werde ich nicht.«
    »Du bist sehr emotional, Niki. Du bist jung und voller Energie. Aber du musst noch viel lernen.«
    »Ich weiß.«
    Ins Internat führten ganz normale Türen, nicht diese Wärmevorhänge. Allem hier haftete etwas Altes an. Den dicken Teppichen auf dem Fußboden, den Bildern an den Wänden – keine epischen wie in den Sälen des Rats, sondern normale schöne Landschaften – den im

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